Die Presseberichte über Nordkorea sind meist erschreckend. Gleichzeitig kam just eine gemäßigte Doku über die Diktatur auf arte heraus. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen, mit klarer Tendenz zum Gruselkabinett. Wie sich die Nordkoreanische Botschaft in Berlin zeigt und was man dort vor einer Propaganda-Schautafel erlebt, erzählen Michael Bussmann und Gabriele Tröger in dieser Geschichte.
Über dem Zaun Kameras. Nichts Ungewöhnliches für Botschaften. Hier aber haben sie etwas von Argusaugen. Big Brother is watching us, während wir mit Foto und Block in der Hand vor der »Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Korea« stehen. Ein trister DDR-Plattenbau in einer der hässlichsten Ecken Mittes. Die Fenster sind verhängt mit Gardinen von Vorgestern. Kein Licht brennt, niemand steht auf dem Balkon und raucht eine Zigarette. Keine Spur von Publikumsverkehr. Über die Anzahl der Mitarbeiter dieser seltsamsten Botschaft Deutschlands gibt es keine Angaben, viele sind es wohl nicht. Und die wenigen, die hier arbeiten, stellen angeblich nicht nur Visa aus, sondern beschaffen auch Hightech für Nordkoreas Raketen- und Atomwaffenprogramm. So heißt es zumindest.
Die von politischer Stimmung abhängige Schautafel
Vor dem Botschaftsgebäude befindet sich eine verglaste Propaganda-Schautafel, die regelmäßig mit neuen Fotos bestückt wird. Sind wir in dieser Ecke der Stadt unterwegs, schauen wir immer wieder gerne vorbei. Je nach politischer Stimmung gibt es Unterschiedliches zu bestaunen. Mal sieht man Bedrohliches wie Fotos von Testläufen der »Hwasong-14«, einer Interkontinentalrakete, die womöglich die USA erreichen kann. Mal sieht man Niedliches wie heitere, wohlgenährte Kinder in einem Aquapark auf Wasserrutschen. Mal sieht man Kim Jong-un zusammen mit Donald Trump in die Kamera lächeln – Party der Schreckgespenster. Und nun sehen wir den nordkoreanischen Diktator samt Ehefrau Ri Sol-ju (Ex-Sängerin) freudestrahlend beim Empfang des südkoreanischen Präsidenten Moon Yae-in samt Ehefrau Kim Jung-sook (ebenfalls Ex-Sängerin).
Fünf Protestler und eine Steuerhinterziehung
Hinter uns hat sich wie jeden Donnerstag zwischen 14 und 15 Uhr eine fünfköpfige (!) Demonstrantengruppe platziert, die gegen Christenverfolgungen in Nordkorea protestiert. Die Demonstranten singen »Kyrie eleison«, skandieren »Öffnet die Konzentrationslager!« und halten Plakate hoch: »Reis statt Atom!« Die Gruppe trägt den etwas sperrigen Namen »Beständige Mahnwache vor der Nordkoreanischen Botschaft in Berlin« und wird von zwei Polizisten beschützt, die sich müde die Augen reiben.
Wir kommen mit den Protestlern ins Gespräch und lassen uns die Geschichte vom augenfälligen Cityhostel Berlin neben der Botschaft erzählen. Der heute mehr als abgerockte Plattenbau diente zu DDR-Zeiten als eigentliches Botschaftsgebäude. Nach der Wende zog die geschrumpfte diplomatische Abteilung Nordkoreas in das kleinere Nebengebäude und begann ab 2004, das alte Botschaftsgebäude an einen Hostelbetreiber zu verpachten. Für angeblich 38.000 Euro im Monat, wie Die Welt berichtete. Einnahmen, die die Nordkoreaner so lange nicht versteuerten, bis das Land Berlin auf die Barrikaden ging. Erst 2017 wurde eine Rückzahlung der Steuerschulden in Millionenhöhe vereinbart. Auch soll das Mietverhältnis als solches gestoppt werden. Seit der UN-Sicherheitsrat 2016 die Sanktionen gegen Nordkorea verschärft hat, sind derartige Aktivitäten illegal. Bislang kann man das Hostel aber noch auf www.cityhostel-berlin.com buchen und dort nächtens die unterirdischen Verbindungsgänge zur Botschaft auskundschaften – was schon einige Journalisten versucht haben …
Ente oder Bürger
Kälte macht hungrig. Gastronomisch gibt das Eck um die Nordkoreanische Botschaft nicht viel her. Im rückwärtigen Plattenbauviertel entdecken wir das Chinarestaurant Peking Ente. Es serviert: Pekingente. Der Mexikaner nebenan hat sein Tagesgericht auf einer Tafel angeschrieben: »Becken Bürger mit Speck«. Wir entscheiden uns für die Ente.
Reisepraktische Infos
Die Nordkoreanische Botschaft mit der Propaganda-Schautafel befindet sich in der Glinkastraße 5-7. Sie ist gut mit der U2 zu erreichen, Station »Mohrenstraße«.
Übrigens: Michael Bussmann und Gabriele Tröger stecken hinter dem sehr besonderen Reiseblog hierdadort.de.