In unserer neuen Reportage-Serie »Abseits der Routen« geht es um Entdeckungen am Wegesrand, die etwas zeigen, das die großen Sehenswürdigkeiten nicht immer können. Den Anfang macht unsere Rumänien-Autorin Diana Stănescu. In Timișoara (Temeswar) stieß sie auf das »Museum des kommunistischen Verbrauchers«, eine skurrile Ausstellung mit Tausenden von Alltagsgegenständen, die zum Leben im Sozialismus gehörten …
Eine Villa in einem ruhigen Wohnviertel. Etwas betagt, aber eine Villa. Im Erdgeschoss eine Hipster-Kneipe. Hinter einem Vorhang ein kleines stadtbekanntes Privattheater namens »Auăleu« (»Oh weh!«). Soweit alles unauffällig. Doch dann geht es über eine schmale Treppe ins Untergeschoss. Dort öffnen sich die Türen ganz weit in eine fast vergessene Vergangenheit … Eine Wohnung aus kommunistischer Zeit ist nachgestellt – randvoll mit all dem Kitsch und Nippes, all den uniformen Scheußlichkeiten, die den neuen sozialistischen Menschen in den hingepfuschten, schiefen Plattenbauten umgaben.
Egal, wo man war, die Möbel ähnelten sich
Fernseher, Fahrräder, Schallplatten, Porzellanballerinas, abscheuliche Fische aus buntem Glas, Elefanten, Enten, Clowns und Rehe ziehen die Besucherblicke in ihren Bann. Fahnen mit sozialistischem Wappen, die filterlosen Zigaretten »Carpați« (Karpaten), die Kinderpuppe »Mihaela«: All das gehört zur kollektiven Erinnerung der Generationen, die in der »Goldenen Epoche« aufgewachsen sind.
Dabei gilt für das Rumänien der späteren Ceaușescu-Jahre in höherem Maße als für die DDR, für Jugoslawien oder Ungarn: Die Auswahl war so stark eingeschränkt, dass man, egal wen man besuchte, ähnliche Möbel und die immer gleichen Gegenstände vorfand – die vertrauten Taschenbuch-Einbände, die allgegenwärtigen Häkeldeckchen, die ewig sich wiederholenden Kristallvasen mit Schliff, die Porzellankörbchen mit Flechtrand, die schweren Glas-Bonbonieren.
Pepsi-Flaschen waren auch leer noch wertvoll
Viele Exponate tragen Geschichten in sich. Die Bananen und Orangen aus hartem Plastik, die die Obstschalen vieler Haushalte dekorierten, ersetzten die echten Bananen und Orangen. Die Telefone erinnern nicht nur an die gute alte Wählscheibe, sondern auch daran, dass das Fräulein vom Amt oft Wort für Wort über die Gesprächsinhalte im Bilde war. Und in der Küche stehen Flaschen wie Trophäen in den Regalen. Stand »Pepsi« drauf, waren sie sogar im leeren Zustand noch wertvoll.
Die riesige Sammlung, die auch vor Exponaten wie Zahnstochern und Putzmitteln nicht Halt macht, ist nicht artig sortiert, sondern wild aufgehäuft. Zusammengetragen hat sie der Inhaber von Kneipe, Theater und Museum, Ovidiu Mihăiță, jahrelang auf Flohmärkten und bei Bekannten. Eine detaillierte Bestandsaufnahme des kaum bekannten rumänischen Alltagslebens hinterm Eisernen Vorhang.
Muzeul Consumatorului Comunist (Museum des kommunistischen Verbrauchers), Strada Arhitect Laszlo Szekely 1 (südlich vom Zentrum). Mo-Sa 10-23 Uhr, So 14-23 Uhr. Museum: Eintritt frei.