Heute wollen wir Ihnen eines der 33 Stadtabenteuer zu Berlin verraten. Es gehtum Grenzerfahrungen an der Mauer, erlebt und aufgezeichnet von Michael Bussmann und Gabriele Tröger.
WO? Beginn an der Bösebrücke in Prenzlauer Berg (S1/2/8/25/26/85 Bornholmer Straße). Ende an der Oberbaumbrücke in Friedrichshain (S3/5/7/9/75 ODER U1/3 Warschauer Straße) +++ WANN? Immer +++ WIE LANGE? Ca. 2 Stunden ohne längere Pausen und Besichtigungen +++ WIE VIEL? Kostenlos +++
WIR BEGINNEN DA, wo alles endete. Am ehemaligen Grenzübergang Bornholmer Straße. Auf das Codewort »Wir fluten jetzt« traten hier am 9. November 1989 gegen 23.30 Uhr die DDR-Grenzsoldaten zur Seite und ließen die Ost-Berliner ungehindert in den Westen. Wo das Ende der DDR eingeläutet wurde, befindet sich heute der Platz des 9. November, eine kleine Gedenkstätte an der Bösebrücke. Dort sind noch 155 Meter der alten hinteren Sperrmauer erhalten – stumme Zeugen der einst geteilten Stadt. Der Übergang Bornholmer Straße war einer von insgesamt sieben innerstädtischen Grenzübergängen. Hier führt der 160 Kilometer lange Berliner Mauerweg vorbei, ein Wander- und Radweg, der in vielen Abschnitten dem Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen folgt. Rund 17 Kilometer davon haben wir uns für heute vorgenommen. Wir wollen bis zur Oberbaumbrücke radeln.
MAL RADELN WIR IM ALTEN OSTEN, mal im alten Westen. Unser erstes Ziel ist der Gleimtunnel. Bis 1989 war er unpassierbar, den östlichen Ausgang blockierte die Mauer. Heute trennt die von gusseisernen Säulen getragene Unterführung keine verfeindeten Staaten mehr, sondern verbindet Prenzlauer Berg mit dem Wedding. Dann geht es weiter durch den Mauerpark (siehe S. 176) – Achtung, viele Scherben! Es folgt die weitläufige Gedenkstätte Berliner Mauer, die man gesehen haben sollte (siehe S. 183). Rund 15 Minuten später erreichen wir den Invalidenfriedhof am Spandauer Schifffahrtskanal. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde er für hohe preußische Militärs angelegt. Nach dem Mauerbau verlief hier der Todesstreifen. Nur 200 von den einst 3.000 Gräbern sind daher erhalten – Pietät war kein Genossending. Nahebei versuchte der 24-jährige DDR-Bürger Günter Litfin am 24. August 1961 durch den Humboldthafen in den Westen zu schwimmen. Mit dem rettenden Ufer vor Augen wurde er als erster Grenzflüchtling erschossen. Wir gelangen ins Regierungsviertel. Viel Glas wurde hier verbaut. Transparenz wollte man damit schaffen, den Blick freigeben auf schlecht sitzende Anzüge. Auf unserer weiteren Route jagt Superlativ nun Superlativ.
NACH DEM REICHSTAG und dem Brandenburger Tor passieren wir den Potsdamer Platz (siehe S. 74). Die Mauer verlief direkt darüber, ein paar Mauerelemente aus jener Zeit sind erhalten. Wenig später stehen wir am Checkpoint Charlie (siehe S. 139). Ein Nachbau des Wachhauses an der Kommerz-Schmerz-Grenze erinnert noch daran. Unscheinbar hingegen die Sebastianstraße. Heute. Früher riss der »antifaschistische Schutzwall« die Wohnstraße in zwei Hälften, trennte Nachbarn und wurde zigfach untertunnelt. Wir radeln weiter Richtung Oberbaumbrücke, unser Ziel. Winken dem »Baumhaus an der Mauer« zu. 1983 errichtete es ein türkischer Migrant im »Niemandsland « auf einer ehemaligen Verkehrsinsel. Diese gehörte der DDR, befand sich aber auf West-Berliner Boden, weshalb sich niemand dafür zuständig fühlte. Die zweigeschossige Hütte soll, so Allah will, künftig als Museum dienen. Eine von vielen Geschichten, die die Mauer schrieb. Eine Mauer, die heute länger weg ist, als sie jemals existierte.
WENN MAN SCHON MAL HIER IST: Der Gedenkstätte Berliner Mauer, an der man vorbeiradelt, sollte man unbedingt ein wenig Zeit gönnen (Bernauer Str. 111/119, berliner-mauer-gedenkstaette. de, tägl. außer Mo 10–18 Uhr, Eintritt frei). Kaum irgendwo anders ist die Teilungsnarbe noch so sichtbar. Das Dokumentationszentrum samt Aussichtsturm ist genauso ergreifend wie die Open-Air-Stationen auf dem ehemaligen Grenzstreifen.
Hier können Sie direkt in die Leseprobe aus dem Buch reinschauen: