WO? Am Sandtorkai 66–68, Ponton 2 +++ U3 Baumwall +++
WANN? Sa/So/Fei 10–15 Uhr
(Ende Nov.–Mitte/Ende April ist Winterpause) +++ hafenbasar.de +++
WIE LANGE? 30
Minuten bis 1 Stunde +++
WIE VIEL? Erwachsene 5 Euro, Kinder (6–12 J.) 3 Euro,
Familie 15 Euro +++
dort, wo einen die schicken Blockbauten des neuen Stadtteils anblicken, befindet er sich: Harrys Hafenbasar. Der mit Abstand skurrilste »Laden« der Elbstadt, den schon Tom Waits in The Black Rider besungen hat, liegt am Sandtorhafen im Schiffsbauch eines abgetakelten Schwimmkrans. Da unten, in den Katakomben, ist es eng und vollgestopft und ein klein wenig gruselig, weshalb ich selbst einige Runden drehe, bevor ich meine Kinder – sie sind acht und vier – mit hinunternehme. Wir stoßen auf originale Schrumpfköpfe, erstaunlich gut erhaltene Korallen, handgeschnitzte Holzdildos (deren tieferen Sinn nur größere Kinder verstehen dürften) und lange Feuerwaffen, die in den deutschen Kolonien ihre unrühmliche Rolle gespielt haben; möglicherweise. Denn beschriftet ist wenig, die Stücke stehen für sich selbst.
hatte Harry Rosenberg (1925–2000). Der Münzhändler mit dem Rauschebart übernahm den Nachlass von Käpt’n Haase, der bis 1954 eine Kneipe mit Seefahrerschätzen besaß. In der Bernhard-Nocht-Straße 65 in direkter Nähe zur Hafenstraße gründete Rosenberg ein »Museum«, das zu seiner Glanzzeit mehr als 365.000 kuriose und bizarre »Souvenirs« führte. Der Ex-Seemann stellte sie in 26 Räumen auf 2.600 Quadratmetern aus. Gekauft hat er die meisten davon in den 70er- und 80er-Jahren, von Seeleuten, die sich etwas dazuverdienen wollten. Dieser Standort im Unterboden des Schiffskrans ist schon der fünfte. Noch immer kann man alles erwerben, außer wenn es mit einem roten Punkt markiert ist. Wir folgen den Pfeilen, die durch die Sammlung führen. Ich denke: Man möchte hier nachts nicht alleine sein. Doch nicht nur das: Die Augen gehen einem über. Man kann gar nicht so viel erfassen, wie hier ausgestellt ist. Masken aus Kamerun, Voodoofiguren, asiatische Gottheiten und ein Elfenbeinphallus mit eingeschnitzten Affen und Elefanten. Sogar auf ausgestopfte Eisbären und einen mit Perlen verzierten Krokodilschädel trifft man.
während wir durch die 33 kleinen Kammern dieses mentalitätsgeschichtlichen Gruselkabinetts schreiten, das aus heutiger Sicht wohl nicht komplett politisch korrekt ist. Doch genau deshalb strahlt es mehr Echtheit aus als die gut ausgeleuchteten Exponate des Völkerkundemuseums im gepflegten Stadtteil Rotherbaum in Eimsbüttel. Noch etwas bleibt zu sagen: Nachdem Rosenberg im Alter von 75 Jahren verstorben war, verschied wenige Monate später sein Sohn. Tochter Karin, die den Betrieb übernommen hatte, erlitt 2011 einen Herzinfarkt, der ebenfalls tödlich endete. Nach einer kurzen Interimslösung durch Enkelin Kim wurde ein HNO-Arzt der »neue« Harry; 2014 starb Dr. Gereon Boos 47-jährig an einem Hirntumor. Liegt auf der Sammlung ein Fluch? Vielleicht frage ich deshalb zwischendurch meine Kinder: »Alles okay? Habt ihr … Angst?« Der Vierjährige sieht mich an, als wäre ich leicht verwirrt. Angst, wovor denn? Der Achtjährige spricht es aus: »Da drin ist es wirklich heftig geil, Papa.« Langsam nickend schließe ich mich diesem Urteil an.
Der Schwimmkran liegt im »ältesten« der zehn Quartiere der HafenCity. In der Kranführer-Kanzel befindet sich ein winziges Luxushotel mit exakt einem Doppelzimmer (ca. 450 Euro, floatel.de). Bis zur Elphi (siehe S. 20 und 42), die man von hier aus sieht, sind es gerade mal 500 Meter. Zum Speicherstadtmuseum, einem gut gemachten Lesemuseum mit originalen Ausstellungsstücken, ist es ein Katzensprung (Am Sandtorkai 36, meist 10–17 Uhr, 5 Euro, erm. 3,50 Euro, speicherstadtmuseum.de).
Dies ist eines von 33 Erlebnissen in und um Hamburg, die außergewöhnlich sind und abseits der Routen stattfinden, aufgeschrieben von Reisebuchautor Matthias Kröner. Der Artikel ist erschienen in Hamburg– Abenteuer (2. Auflage 2023) innerhalb der Reihe MM-Abenteuer.