Abenteuer erleben

Teil 26: Rummel ohne Rummel
Eine Führung durch den Lost Place Spreepark

Autorin Gabriele Tröger<br>
Autorin Gabriele Tröger
Autor Michael Bussmann<br>
Autor Michael Bussmann

+++Steckbrief+++

WO? Dammweg Ecke Wasserweg, Treptow +++ S8/9/85 Plänterwald, von da noch 1,5 Kilometer bzw. 20 Minuten zu Fuß +++
WANN? Führungen finden samstags und sonntags von 11 bis 16 Uhr stündlich statt, im Sommer zudem donnerstags +++ spreepark.berlin +++
WIE LANGE? Ca. 90 Minuten +++ WICHTIG! Im Spreepark ist alles im Umbruch; Checken Sie die Webseite wegen eventueller Veränderungen! +++
WIE VIEL? 5 EURO, KINDER 3 EURO +++

Illustration eines Tors, das wie der Kopf einer Raubkatze aussieht mit geöffnetem Maul als Tor. In das Maul führen Schienen einer Achterbahn.
Illustration: Mirja Schellbach

Macht man die Augen zu

und lässt die Fantasie spielen, sieht man Kinder lachen, atmet den Duft gebrannter Mandeln, spürt den Wind der Karussellfahrt im Haar. Glaubt die Hufe der anreitenden Cowboys zu hören oder den Aufschrei, wenn die Achterbahn nach dem höchsten Punkt im Looping ihre Höllenfahrt aufnimmt. Macht man die Augen auf, sieht man einen verwunschen-melancholischen Ort. Die rostigen Ruinen einstiger Fahrgeschäfte. Ausgetrocknete Teichlandschaften. Und viel Dschungel. Dürfte man die Wege verlassen, käme man sich vor wie der Jäger auf der Suche nach dem verlorenen Rummel. Oder wie ein Archäologe, der das Riesenrad entdeckt und sich fragt, was die Menschheit wohl einst damit bezweckte. Über 1,5 Millionen Besucher zählte der Freizeitpark in seinen besten Jahren. 2001 musste man Insolvenz anmelden.

Das Bild zeigt ein rotes Riesenrad mit bunten Kabinen vor blauem Himmel.
Besser (noch) nicht einsteigen. – Foto: Frauendorf Fotografie

Seitdem erobert die Natur 

den Spreepark zurück. Biber bauen Nester. Frösche quaken. Fledermäuse und Greifvögel segeln darüber. Nur die Saurier der Dino World überlebten den Niedergang nicht. Am Einstieg zur Achterbahn, die »Spreeblitz« hieß, stehen die Wagen noch immer zur Abfahrt bereit. Aus dem Gleisbett wachsen Bäume. Nach der Schließung gab es hier Theater- und Technofestivals. Cate Blanchett kam für Dreharbeiten zum Actionthriller Wer ist Hanna? (2011). Heute werden Führungen durch das Areal angeboten, ein Sicherheitsdienst begleitet uns dabei über das Gelände. Die Security-Stiernacken sollen nicht nur Vandalismus und Diebstahl vorbeugen, sondern auch Sorge dafür tragen, dass niemandem etwas passiert. Denn die Hinterlassenschaften des Vergnügungsparks haben ihre Tücken. Das Riesenrad beispielsweise, gerade wegen Generalsanierung zerlegt, drehte sich bis vor Kurzem noch immer. »Ohne Motor«, sagt unser Führer, »der Wind machte es möglich.« Aber was passiert, wenn der Wind abflaut? Nicht nur einer, der über den Zaun stieg und eine Runde drehen wollte, musste von der Feuerwehr aus luftiger Höhe gerettet werden.

Illustration eines Bootes in Form eines Schwans.
Illustration: Mirja Schellbach

Die Führung ist eine Reise

in die Vergangenheit und Zukunft, zu Visionen von einst und heute. Zum 20-jährigen Jubiläum der DDR wurde der Spreepark als Kulturpark Plänterwald eröffnet. Wir bekommen Fotos gereicht, die den fröhlichen Sozialismus zeigen. Nach der Wende wurde der Park privatisiert, Millionen wurden investiert. Auf einem alten Übersichtsplan ist mit Nummern vermerkt, was es wie wo zu erleben gab. Mangels Parkplätzen kamen zu wenige Besucher. Nach der Insolvenz versuchte der Geschäftsführer sein Glück in Peru, sechs Fahrgeschäfte nahm er mit. 2004 kam er zurück, mit 167 Kilo Kokain in einem Karussell versteckt (die Vorlage für den Film Achterbahn von 2009). Was künftig aus dem Areal werden soll, präsentiert man uns anhand von Entwürfen, die die landeseigene Grün Berlin GmbH in Auftrag gab. Ab 2024 will Grün Berlin das Gelände als Natur-, Kultur- und Erholungspark wieder mit Leben füllen und schrittweise eröffnen. Spätestens 2026 soll sich auch das Riesenrad wieder drehen. Die Betonung liegt auf »soll«. Wir sind schließlich in Berlin.

Eine große Menge an Menschen sitzen in Liegestühlen am Flussufer. Dieses ist mit Bäumen gesäumt und auf dem Fluss fährt ein Tretboot.
Das Erlebnis entspannt ausklingen lassen. – Foto: Michael Bussmann

Wenn man schon mal hier ist:

Vom Spreepark ist es nur ein kurzes Stück zur Insel Berlin, eine über eine Brücke erreichbare, idyllisch gelegene Spreeinsel samt Biergarten (Alt-Treptow 6, Mo–Sa ab 12 Uhr, So ab 11 Uhr, inselberlin.de) und Bootsverleih. Hier kann man das Erlebnis »Spreepark« bei Pulled Pork, Würsten von glücklichen Schweinen und Pilsner Urquell aus dem Tank (!) entspannt nachwirken lassen.

Dies ist eines von 33 Erlebnissen in Berlin, die außergewöhnlich sind und abseits der Routen stattfinden, aufgeschrieben vom Reisebuchautorenduo Gabriele Tröger und Michael Bussmann. Der Artikel ist erschienen in Berlin – Abenteuer (2. Auflage 2023) innerhalb der Reihe MM-Abenteuer.

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