Die Lüneburger Heide ist ein wunderbares Ziel für Radtouren, insbesondere im Spätsommer, wenn die Heide in zartem Violett erblüht. Noch eindrucksvoller wirkt die einzigartige Landschaft im Sonnenauf- und im Sonnenuntergang. Sven Bremer, Autor des Reiseführers Lüneburg & Lüneburger Heide, hat es bei einer E-Bike-Tour selbst ausprobiert.
Michael Poliza ist ganz schön herumgekommen in der Welt. 190 Länder hat der Mann bereist. „Nicht nur die Flughäfen, so richtig“, betont er. Hätte man Zweifel daran, dann müsste man sich nur einen der Bildbände anschauen, die er während seiner Reisen um den Erdball produziert hat. Fantastische Bilder, vor allem aus Afrika, sind dabei entstanden, viele davon aus der Vogelperspektive. Poliza war Schauspieler und saß als IT-Unternehmer in Meetings mit einem gewissen Bill Gates – inzwischen jettet Michael Poliza nicht mehr durch die Weltgeschichte, sondern fährt am liebsten mit dem E-Bike durch die Lüneburger Heide.
Und er schwärmt in den höchsten Tönen von dieser einzigartigen Landschaft. „Für mich ist es die Kombination von großen Heideflächen mit den Wacholderbüschen und den Birken dazwischen. Wenn sich dann noch im Spätsommer zur Blüte der Morgennebel über diese Landschaft legt, dann haut es mich immer wieder um. Kaum eine halbe Stunde von Hamburg entfernt, ist man in dieser ganz anderen Welt.“
Michael Poliza bietet Sonnenauf- und Sonnenuntergangs-Touren mit dem E-Bike rund um den Wilseder Berg an und hat uns gefragt, ob wir Lust hätten, eine seiner Touren mitzumachen. Klar hatten wir Lust, aber um 5 Uhr aufstehen hat uns doch ein wenig verschreckt. Also lieber Sonnenuntergang. Wir starten am Stimbekhof in Oberhaverbeck, und Poliza hat wahrlich nicht zu viel versprochen. Im Abendlicht sehen Wilseder Berg, Totengrund und Steingrund im Naturpark Lüneburger Heide noch mal magischer aus – wenn die Sonne alles in ein mildes und warmes Licht taucht und das Orange des Himmels mit dem Violett der blühenden Heide einen grandiosen Kontrast liefert. Eine Tour durch die größten zusammenhängenden Heideflächen Mitteleuropas ist zwar zu jeder Jahreszeit ein Erlebnis, aber zur Heideblüte im August und September ist es hier definitiv am schönsten.
Es geht ganz schön rauf und runter mit dem Bike in der Heide, über Stock und Stein, teilweise über schmale und steile Trails sowie über Sandwege. Aber mit der elektronischen Unterstützung ist das kein großes Problem. Im autofreien Wilsede, einem winzigen Kaff zu Füßen des gleichnamigen Bergs, gönnen wir uns in einem der Cafés eine leckere Buchweizentorte – eine der kulinarischen Spezialitäten der Lüneburger Heide.
Die mächtige Torte liegt schwer im Magen, als wir hinaufstrampeln zum Wilseder Berg. Aber erstens schiebt der Motor ja, und zweitens entschädigt der atemberaubende Ausblick vom höchsten Berg der norddeutschen Tiefebene.
Lange galt die Lüneburger Heide als Urlaubsziel vorwiegend für Rentner, eine klassische „Draußen-nur-Kännchen-Region“, eher spießig und piefig und so gar nicht sexy. Aber auch das hat sich geändert. „Es freut mich wirklich sehr, dass die Lüneburger Heide so langsam auch von der jüngeren Generation entdeckt wird. Es gibt immer mehr tolle Gasthöfe, die in einer lässigen Atmosphäre erstklassige Qualität anbieten“, sagt Michael Poliza.
Einziges kleines Manko der Sonnenuntergangs-Tour mit dem Bike: Man bekommt garantiert keine Heidschnucken zu sehen, denn die Wappentiere der Lüneburger Heide sind abends wieder im Stall. Vor rund 150 Jahren hielten die Heidebauern noch mehr als eine halbe Million Schnucken, heute sind es knapp 10.000. Sie ziehen nicht etwa zur Belustigung der Touristen durch die Heide, sondern als Landschaftspfleger und als Bewahrer dieser einzigartigen Kulturlandschaft. Die Schnucken fressen nämlich die grünen Triebe der Heidepflanze, woraufhin neue Triebe entstehen und die Pflanze verjüngt wird. So wird die Heide kurz gehalten und verholzt nicht. Zudem verbeißen die Schnucken junge Bäume, die sich ansonsten ausbreiten und die Heidepflanzen überwuchern würden.
Auf dem Rückweg genießen wir noch einmal den Blick auf den Totengrund. Auf einer Bank sitzt ein älterer Herr, Abteilung Altfreak mit langem Pferdeschwanz und einer Flasche Bier neben sich. „Geil, oder?“, fragt er, wobei es mehr eine Feststellung ist – um gleich hinterherzuschieben: „Aber wisst ihr, was noch besser ist? Wenn früh morgens die Nebelschwaden über der Heide wabern und von der aufgehenden Sonne angestrahlt werden. Das müsst ihr erleben.“ Sagt’s, nimmt einen Schluck aus der Pulle und widmet sich wieder dem Naturschauspiel.
Und als Michael Poliza ein paar Tage später ein Foto von der nebelverhangenen Heide im Sonnenaufgang schickt, da wissen wir, dass wir definitiv wiederkommen müssen: Wecker stellen, in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett quälen – und den Sonnenaufgang in der Heide erleben.
Geführte E-Bike-Touren:
mp-ebikes-and-more.de
Die Lüneburger Heide
ist ein klassisches Wanderrevier, aber seit Jahren kommen immer mehr (E-)Biker
in die Heide. Alle Wanderwege darf man auch mit dem Rad benutzen, wobei
natürlich gilt: Rücksicht nehmen auf die Fußgänger, denn die sind noch in der
Überzahl.