Passend zu den bevorstehenden Sommerferien ist im Juni unser Reiseführer Mecklenburg-Vorpommern frisch aufgelegt worden. Mecklenburg-Vorpommern ist aber nicht nur eine beliebte Urlaubsregion, sie besitzt mit Rostock und Greifswald auch zwei altehrwürdige Universitätsstädte. Nach Greifswald hat es unsere ehemalige Werkstudentin Amelie verschlagen, die im Herbst 2023 von Erlangen in die Stadt am Ryck gezogen ist, um dort weiter zu studieren. Was der Wechsel von der mittelfränkischen Hugenottenstadt in die norddeutsche Hansestadt alles mit sich bringt, was man dort unternehmen kann und was ein Pflaumenaugust ist, beschreibt sie in ihrem Newsletterbeitrag.
Ganz im Nordosten Deutschlands, nahe der Grenze zu Polen und an der Ostsee, liegt die Stadt Greifswald. Bis vor einem Jahr wusste ich mit dem Ortsnamen noch recht wenig anzufangen. Im September 2023 bin ich dann für mein Studium einmal quer durch ganz Deutschland dorthin gezogen und habe seitdem die Universitäts- und Hansestadt und die Region Vorpommern ein bisschen besser kennengelernt.
Greifswald bedient beinahe alle Klischees der studentisch geprägten Kleinstadt: Schon bei meinem ersten Besuch in der Stadt fallen mir die vielen Gebäude auf, die zur Universität gehören. Gegründet im Jahr 1456, ist die Uni eine der ältesten Hochschulen Mitteleuropas. Heute sind rund ein Sechstel der Bewohner*innen Greifswalds Studierende, dazu kommen noch viele Angestellte der Universität und der Universitätsmedizin. Mit ca. 60.000 Einwohner*innen ist Greifswald sehr übersichtlich, es ist nicht unwahrscheinlich, dass man seinen Kommiliton*innen begegnet, wenn man in der Stadt unterwegs ist.
Vormittags ist es in der Innenstadt noch vergleichsweise ruhig; die Sonne scheint auf die ersten Tagestouristen, die die Stadt erkunden, auf dem Markt werden die Stände aufgebaut.
Um Punkt 11.45 Uhr ist die idyllische Ruhe schlagartig verschwunden: Die Studierenden, die ihre ersten Vorlesungen und Seminare des Tages am Löffler-Campus in der Innenstadt besucht haben, schwärmen auf ihren Fahrrädern aus. Sie sind auf dem Weg zur nächsten Vorlesung oder in die Mensa, um eine Süßkartoffel-Gnocchi-Gemüsepfanne oder ein Blumenkohl-Knusper-Medaillon mit Minz-Soja-Dip zu essen.
Gegen späten Nachmittag versammeln sich viele gerne am Hafen, um sich mit Blick auf die Boote auf dem Ryck (dem Fluss, der durch Greifswald fließt und einen Katzensprung weiter in die Ostsee mündet) ein Feierabendgetränk in der Sonne zu gönnen.
An den Ständen rund um den sogenannten Museumshafen kann man sich mit allerlei Essen und Getränken versorgen. Eine der ortstypischen Delikatessen ist der Pflaumenaugust, ein Matjesbrötchen mit Pflaumenmus, Äpfeln und Zwiebeln, das man zum Beispiel bei Fisch 13 im Hafen genießen kann und bei einem Besuch in Greifswald auf jeden Fall probieren sollte.
Die Ambitionierteren nehmen in ihrer Freizeit die Fahrt von 5 Kilometern an den Badestrand von Eldena auf sich, um Roundnet, Wikingerschach oder einen anderen außerhalb von Studierendenkreisen eher unpopulären Mannschaftssport zu betreiben. Die Laufgruppe trifft sich zum gemütlichen Joggen über den Wall, einem von Kastanienbäumen gesäumten Fußweg, der sich auf der ehemaligen Befestigungsanlage der Stadt einmal um die Altstadt spannt.
Man sitzt auf WG-Partys in chaotischen Altbau-Küchen auf wackeligen Ikea-Hockern oder trifft sich mit der Lerngruppe in beengten Wohnheimzimmern in einem Plattenbau in Schönwalde (einem Stadtteil im Südosten von Greifswald, der vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren unter anderem als Wohnsiedlung für Arbeiter im Kernkraftwerk Lubmin angelegt wurde).
Am Wochenende bietet sich die Urlaubsregion natürlich für Ausflüge an. Auf meinem klapprigen Fahrrad erkunde ich die kleinen Ortschaften in der näheren Umgebung, darunter Weitenhagen, Hinrichshagen, Diedrichshagen, Levenhagen und Mesekenhagen. Auch viele Strände in der Umgebung sind noch gut mit dem Fahrrad erreichbar. Für Unternehmungen in weiterer Entfernung muss ich auf den ÖPNV zurückgreifen, und das funktioniert für die Lage Greifswalds erstaunlich gut; sowohl Rügen als auch Usedom sind in der Regel in 1 bis 2 Stunden Fahrtzeit erreichbar. Ich besuche wunderschöne Seebäder und weniger schöne Provinzbahnhöfe.
Aber auch in Greifswald selbst kann man einiges erleben. Die kulturellen Angebote sind stark von der Universität geprägt, die meisten Vorträge und Abendveranstaltungen können aber auch von Externen besucht werden. Mich hat bis jetzt vor allem das Musik-Angebot überzeugt: Jedes Jahr im Mai findet das Festival Nordischer Klang statt, bei dem skandinavische Künstler*innen auftreten. Im Juni können Interessierte auf der Greifswalder Bachwoche Musik von Johann Sebastian Bach hören. Dieses Jahr gibt es außerdem eine Vielzahl von Veranstaltungen rund um den 250. Geburtstag des wohl berühmtesten Kindes der Hansestadt, Caspar David Friedrich.
Auch Sportbegeisterte kommen in Greifswald auf ihre Kosten: Das Angebot in Vereinen ist groß, und die Nähe zum Wasser bietet unbegrenzte Möglichkeiten für Wassersportler. Optionen zum Ausleihen von Kanus und SUP-Boards gibt es am Ryck jede Menge. Der Hochschulsport bietet außerdem zahlreiche Kurse: Von Drachenboot bis Kitesurfen ist alles dabei. Ich überlege noch, ob ich nächstes Jahr mit meinem Segelschein starten soll.