Lange Rampen führen auf
riesige Parkplatzflächen. Schlaftrunken versuche ich die Informationen auf den
vielen Schildern zu sortieren und fahre auf Parkplatz P 23. Ich fühle mich ein
wenig wie in dem Betonlabyrinth, das große Flughäfen umgibt. Durch den
Nieselregen gehe ich Richtung Haupteingang, vorbei an Gebäuden mit
Industriegebiet-Charme. Es ist 7 Uhr, und ich muss die Sehnsucht nach meinem
Bett verdrängen. Aber was tut man nicht alles, um Blumen neu zu erleben:
weniger Romantik, mehr Realität! Ich erreiche den Eingang, kaufe mein Ticket,
Treppe hoch – und Tür auf zur größten Blumenversteigerung der Welt bei Royal
Flora Holland in Aalsmeer!
Eine riesige Halle liegt
vor mir, einen Kilometer lang und 500 Meter breit. Nackter Beton und zaghafter
Blumenduft empfangen mich. Auf der Besucherbrücke bestaunen weitere
Frühaufsteher das rege Treiben unter ihnen.
Wo? Legmeerdijk 313, Aalsmeer +++ Ab Hauptbahnhof Amsterdam Centraal Metro
M51 Richtung Isolatorweg Amstelveenseweg aussteigen und in Bus 357 umsteigen
bis vor die Tür von Royal Flora Holland, Dauer: ca. 1 Stunde +++
Wann? Mo 7–12 Uhr, Di/Mi/Fr 7–11 Uhr, Do 7–9 Uhr, auf der Website sind
die versteigerungsfreien Feiertage sowie die wenigen Tage mit
Frühversteigerungen ab 5.30 Uhr vermerkt +++ royalfloraholland.com +++
Wie lange? Ca. 1 Stunde +++
Wie viel? 10 Euro (Tickets an der Kasse vor Ort) +++
Wichtig! Je früher man kommt, desto mehr ist noch zu sehen +++
Ein Teppich aus Geranien, Geranien und noch mal Geranien breitet sich dort aus. Dann ziehen Hortensien auf großen Wagen vorbei. Schließlich setzen sich die Rosen in Bewegung und überholen die roten Anthurien. Wagen mit blühenden Eimern werden aneinandergekoppelt und bilden einen bunten Blumenzug. Es wird gehupt und gerufen, die Blumenverwalter wuseln winzig durch die große Halle. Was wir Besucher hier als Erstes sehen, ist in Wirklichkeit der Schritt nach der Auktion: Die ersteigerten Blumen werden gescannt, einer Käufernummer zugeordnet und zum Abtransport bereitgestellt. Der größte Abnehmer ist Deutschland. Das Herz der Blumenbörse schlägt weiter hinten auf der Besucherbrücke: im Versteigerungssaal. Durch eine Glasscheibe schauen wir ins Allerheiligste. Vorne, auf großen Monitoren, sieht man die Versteigerungsuhren, auf den Rängen sitzen rund 100 bis 150 Händler. Weitere rund 2.000 Käufer aus ganz Europa bieten täglich aus der Ferne online an digitalen Versteigerungsuhren mit. Was sie kaufen, sehen sie auf den Uhren: Rätselhafte Kürzel beschreiben die Länge des Stiels, die Anzahl der Knospen, die Reifephase der Pflanzen.
Gewaltig sind die Dimensionen dieser Drehscheibe: Royal Flora Holland ist die
weltgrößte Vermarktungsorganisation für Blumen und Pflanzen. An den vier
Standorten, der bedeutendste davon in Aalsmeer, werden pro Jahr rund 4,7
Billionen Euro (!) umgesetzt und gut zwölf Billionen Blumen und Pflanzen verkauft
– in allererster Linie nicht etwa die viel besungenen »Tulpen aus Amsterdam«,
sondern Rosen. 30.000 unterschiedliche »Produkte« sind in Aalsmeer im Angebot,
und damit die größtmögliche Auswahl an einem Ort. Und woher kommt die grüne
Pracht? Vornehmlich aus Ländern, in denen billig produziert wird. Importland
Nummer eins ist Kenia, gefolgt von Äthiopien.
Nach der langen Reise wird
die schnell verderbliche Ware in der Nacht in Aalsmeer angeliefert und in der
Regel noch am selben Morgen restlos versteigert. Bleibt doch noch etwas übrig,
wird es vernichtet, denn am nächsten Tag werden die Verkaufschancen ja nicht
größer. Die Blumen-Romantik, sie fängt erst zu Hause in der Vase an …
Mehr über die Pflanzenzucht in Aalsmeer erfährt man im Gartenmuseum mit historischem Garten (Historische Tuin Aalsmeer, Praamplein, Di–So 10–16.30 Uhr, Nov.–März geschlossen, 6 Euro). Oder wie wäre es mit einer Fahrt im offenen Boot über den Westeinder See mit seinem Labyrinth von Inseln? Das Kombiticket für Blumenversteigerung, historischen Garten und Bootsfahrt kostet 22 Euro und ist auf royalfloraholland.com zu kaufen. Nutzen kann man es von März bis Sept. Di–Fr.
Dies
ist eines von 33 Erlebnissen in und um Amsterdam, die außergewöhnlich sind und
abseits der Routen stattfinden, aufgeschrieben von Reisebuchautorin Diana
Stănescu. Der Artikel ist erschienen in Amsterdam
– Abenteuer
innerhalb der Reihe MM-Abenteuer.