Abenteuer erleben

Teil 12: Mit Dalí auf dem Holodeck
Im Metaversum des Digitalkunstzentrums Ideal

Autor Frank Feldmeier

+ + + Steckbrief + + +

WO? Carrer del Doctor Trueta, 196–198 +++ L4 Llacuna +++
WANN? Mi–Mo 10–21.30 Uhr +++ noch bis zum 21. August 2023 +++
WIE LANG? rund 90 Minuten +++
WIE VIEL?
Mo 9,50 €, Mi–Fr 14,50 €, Sa–So 18,50 € +++
WWW?
idealbarcelona.com
WICHTIG! Tickets online reservieren. Die Info-Tafeln der kleinen Ausstellung sind nur auf Spanisch und Katalanisch, Projektionen und virtuelle Realität kommen aber ganz ohne Worte aus. +++

Auf den Weg an Deck gibt es noch zwei Hinweise:

»Alle Hindernisse, die Sie sehen, existieren auch in der Realität.« Und: »Falls Ihnen schwindlig wird, nicht das Headset absetzen, sondern den Arm heben.« Leuchtende Pfeile auf dem Boden weisen den Weg, dann stehe ich auf einem Schiff, das über das Meer gleitet. Ich schaue nach oben zum gehissten Segel. Am Horizont ein Planet, der plötzlich wie ein Ei zerplatzt.

Vor der Schifffahrt in die virtuellen Realität heißt es, auf einem der Sitzwürfel Platz nehmen und 3-D-Brille aufsetzen.
Vor der Schifffahrt in die virtuellen Realität heißt es, auf einem der Sitzwürfel Platz nehmen und 3-D-Brille aufsetzen. – Foto: Frank Feldmeier

Ich gehe auf dem Deck umher und weiche den anderen Personen aus, oder besser gesagt den Taucherhelmen, unter denen jeweils eine Nummer schwebt. Als ich an mir hinunterschaue, sehe ich nur meine Hände. Während ich die Reling umfasse, leuchtet sie kurz auf. Das Schiff passiert eine Engstelle, und plötzlich weicht das Meer einer Wüste, durch die Elefanten mit stelzenlangen Beinen marschieren –, als wären sie einem Gemälde von Dalí entsprungen.

Das Metaversum,

das in diesem Zentrum für digitale Kunst geschaffen wurde, ist eine Reise durch den Geist des katalanischen Malers. Dalí mag die virtuelle Realität nicht mehr erlebt haben, der wichtigste Vertreter des Surrealismus wäre aber wohl von dieser neuen Perspektive begeistert gewesen, experimentierte er doch selbst in einer späten Werkphase intensiv mit stereoskopischen Bildern und schuf holografische Arbeiten.

Salvador Dalí experimentierte mit stereoskopischen Bildern und schuf holografische Arbeiten.
Salvador Dalí experimentierte mit stereoskopischen Bildern und schuf holografische Arbeiten. – Foto: Frank Feldmeier

Quantenphysik, sakrale Geometrie, DNA-Sequenzierung – bevor es in die virtuelle Umgebung geht, gibt eine 360-Grad-Projektion in einem riesigen Saal mit Videowänden ringsum einen kleinen Vorgeschmack auf Dalís Welt. Auf einem der Sitzwürfel Platz nehmen, 3-D-Brille aufsetzen, und schon schwebt der rechte Fuß von Gala, der Muse des Künstlers, durch den Raum. Aufnahmen von echten Landschaften verwandeln sich bei sphärischen Klängen in surreale Gemälde mit schmelzenden Uhren. Werke mit optischen Täuschungen zoomen auf: Wo ich eben noch das Profil eines männlichen Gesichts sah, zeigt dasselbe Bild eine lesende Frau. Und dann bleiben vom multimedialen Rausch plötzlich nur noch leuchtende Gitterlinien auf schwarzem Grund, ähnlich wie beim Abschalten des Holodecks auf Raumschiff Enterprise.

Als Besucher fühlt man sich auf das Holodeck von Raumschiff Enterprise versetzt.
Als Besucher fühlt man sich auf das Holodeck von Raumschiff Enterprise versetzt. – Foto: Frank Feldmeier

Das interdimensionale digitale Kunstwerk

passt nicht nur gut zu Dalís Experimentierfreude, es repräsentiert auch das Selbstverständnis des Poblenou. Das ehemalige Industriegebiet von Barcelona mit seinen Fabriken und Lagerhäusern ist heute ein Bezirk mit Lofts, Kunstgalerien und dem Innovationsdistrikt @22, in dem Unternehmen der Technologiebranche angesiedelt werden – eine Symbiose von Tradition und Zukunft. Auch das Digitalkunstzentrum Ideal sieht von außen noch immer ein bisschen wie das gleichnamige Kino aus, das einst an dieser Stelle die arbeitende Bevölkerung in Massen anzog, bevor es in den 1980er-Jahren schloss.

Der Bann der Leinwand, die Wirkung der bewegten Bilder, das Eintauchen in ein Metaversum – das Kopfkino läuft nach dem Besuch weiter. So wie es Dalí in dem Satz formuliert hat, der am Ausgang des Zentrums zu lesen ist: »Wenn wir die Augen wieder schließen und zurückblicken, bleiben die Bilder mit der höchsten Anzahl an Informationsbits übrig, diejenigen, die im Gedächtnis fortdauern und immer fortdauern werden.«

Die Objekte scheinen mitten im Raum zu schweben.
Die Objekte scheinen mitten im Raum zu schweben. – Foto: Frank Feldmeier

Wenn man schon mal hier ist:

Auch das Viertel Poblenou hat eine Rambla, eine Flaniermeile, die vom Meeresufer bis hinauf zur Avinguda Diagonal und zur Gran Via de les Corts Catalanes führt. Vom Ideal-Zentrum – beim Verlassen rechter Hand – ist die Rambla del Poblenou nur einen Häuserblock entfernt. Statt Souvenirläden und Franchise-Lokalen gibt es hier zahlreiche nette Cafés und Restaurants mit Außentischen.

In die virtuelle Welt »Dalí Cybernetics« kann man noch bis einschließlich 21. August 2023 eintauchen. Danach wird ein neues digitales Universum erschaffen: Ab dem 15. September lässt sich die Welt des Alten Ägypten erleben mit seinem legendären Pharao Tutanchamun.

Dies ist ein Erlebnis aus Barcelona, das außergewöhnlich ist und abseits der Routen stattfindet, aufgeschrieben von dem Reisebuchautor Frank Feldmeier. Im Oktober erscheint sein neues Buch Barcelona Abenteuer (1. Auflage 2024) innerhalb der Reihe MM-Abenteuer.

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