Der Weg zur Klimaneutralität und zum nachhaltigen Tourismus ist mitunter lang und steinig. Diese Erfahrung machte auch die Familie Mühlmann, die seit der Jahrtausendwende ein Hotel im Pustertal in einen ökologischen Musterbetrieb verwandelt. Über ihre Erfolge und Schwierigkeiten berichtet unser Dolomiten-Experte Florian Fritz, der auch einen Reiseführer zu Südtirol und einen Wanderführer zu den Dolomiten geschrieben hat.
Als die Familie Mühlmann 1997 den Leitlhof am Stadtrand von Innichen kaufte, war der Blick auf die markanten Felszacken des 3.000 Meter hohen Haunold genauso schön wie heute. Wie turbulent sich die folgenden Jahre gestalten würden, konnte damals noch keiner ahnen.
Es folgten fast zwanzig größere und kleinere Umbauten im und am Berghotel. Der Erwerb und der Ausbau des bereits vorhanden Mühlhofs mit Schafen und Angusrindern zur Eigenversorgung wurde vorangetrieben, eine Zwei-Millionen-Euro-Investition in ein eigenes Kraftwerk zur Holzvergasung getätigt – und schließlich die Betriebsübergabe von Robert Mühlmann an seinen Sohn Stephan vollzogen. Letzterer erlebte sogleich die zwei schwierigen Corona-Jahre 2020 und 2021 und betreut nun zusätzlich ein neues Projekt im Ort, von dem später noch die Rede sein wird.
Eine mühsame Erfolgsgeschichte
Herzstück der konsequenten Ausrichtung auf umweltschonendes Wirtschaften ist das erwähnte Kraftwerk. Es liegt zu zwei Dritteln unter der Erdoberfläche, da man es sonst nicht genehmigt hätte. Die Investition rechnet sich für die Familie Mühlmann deshalb, weil das Kraftwerk die hohen Heizkosten für den Außenpool reduziert. Die Holzvergasungstechnik stammt wiederum aus Deutschland, weiterentwickelt und angepasst wurde sie aber vom Juniorchef persönlich. Der Aufwand zu Beginn war immens: Die ersten beiden Monate schlief Stephan Mühlmann auf einer Matratze im Kraftwerk, um rasch auf Fehlermeldungen zu reagieren. Seit der Digitalisierung der Anlage im Jahr 2015 mit Hilfe einer eigens entwickelten Software ist das Handling für ihn bequemer. Nun steuert er den Kraftwerksbetrieb per App.
Die mühsam erkämpfte Erfolgsgeschichte zeigt sich, wenn man einen nüchternen Blick auf die Fakten wirft. Seit Inbetriebnahme des Kraftwerks reduzierte sich der CO2-Verbrauch pro Kopf um 90 %! Auch wegen dieser hervorragenden Energiebilanz wurde die Südtiroler Unterkunft 2016 als Europe‘s Leading Green Hotel ausgezeichnet.
Regionalität versus Gentrifizierung
Wie es sich für eine Unternehmerfamilie gehört, gibt es stets neue Pläne. So entsteht im Ortszentrum von Innichen nach Entwürfen des preisgekrönten Architekturbüros Pedevilla ein neues Gebäude mit Restaurant und Ferienwohnungen. Auslöser für das Investment war der Unmut vieler alteingesessener Bewohner über den unguten Strukturwandel, der auch in Südtirol stattfindet. Begehrte Grundstücke gehen zu hohen Preisen an externe Käufer, die aber nur an einem Zweitwohnsitz interessiert sind. Deren Häuser werden selten bewohnt, verknappen jedoch Baugrund und Wohnraum, so dass die Preise in die Höhe schießen und für viele Einheimische nicht mehr bezahlbar sind. Gentrifizierung pur.
Durch das Projekt wird der „Ausverkauf“ verhindert und das Gebäude ganzjährig genutzt. Das Restaurant soll dabei seinen Schwerpunkt auf Fleischprodukte der eigenen Angusrindern legen. Stephan Mühlmann: „Wir wollen im Mühlhof einen kleinen Hofladen eröffnen. Unsere Idee ist, dass der Restaurantgast sich dort sein Stück Rindfleisch auswählt und es eigenhändig ins Restaurant bringt, wo es für ihn nach seinen Wünschen zubereitet wird.“
Der ökologische Kreislauf
Dieser Gedanke gefällt auch Markus Auer, dem Küchenchef des Leitlhofs. Seine Philosophie ist es, Mediterranes mit Südtiroler Küche zu vereinen, so regional und bio wie möglich. Daher stammt ein Großteil des Rindfleischs, der Kräuter und des saisonalen Gemüses schon jetzt aus dem betriebseigenen Mühlhof, der nicht einmal einen Kilometer entfernt liegt. Auch die übrigen Produkte kommen nach Möglichkeit aus der Region, einzig der Fisch wird aus ferneren Fanggründen in Italien hierhergebracht. Allerdings herrscht nach Ansicht des Chefkochs noch Luft nach oben: „Wenn wir, wie geplant, unsere eigene Produktionsstätte haben, können wir die Marmelade selber herstellen und Gemüse für den Winter einlegen.“ Auch an Bienen und selbstproduzierten Honig denkt Auer, und an Frühstückeier von Hühnern auf dem Hof.
Dass diese Ideen keine leere Worte sind, merken auch längst die Gäste im Berghotel. Im Leitlhof ist die ökologische Vision eines wirklich nachhaltigen Tourismus in der täglichen Arbeit der Angestellten auf selbstverständliche Weise sichtbar.
Reisepraktische Tipps
Das Naturhotel Leitlhof befindet sich in der Via Pusteria 29 in 39038 Innichen (Südtirol).
Naturhotel: www.leitlhof.com
Innichen & Pustertal: www.pustertal.org