2024 trägt das Salzkammergut den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“. Nicht die kleine 14.000-Einwohner-Stadt Bad Ischl, wie oft fälschlicherweise zu lesen ist, sondern die ganze Region, insgesamt 23 Gemeinden über Bundeslandgrenzen hinweg, vom Attersee bis zum Ausseerland, vom Traunsee bis nach Hallstatt. Nur die Orte am Wolfgangsee sind nicht dabei, sie konzentrieren sich 2024 auf den 1100. Geburtstag ihres Namenspatrons, des heiligen Wolfgang. Wie passend, dass kürzlich eine Neuauflage des Reiseführers Salzburg & Salzkammergut erschienen ist!
Bereits zwei Mal stellte Österreich eine Kulturhauptstadt. 2003 war es Graz, die Hauptstadt der Steiermark, 2009 Linz an der Donau, die Hauptstadt Oberösterreichs. Beide Male war es ein Erfolg, die Städte gewannen wichtige Impulse für ihre Entwicklung, konnten ihre internationale Bekanntheit nachhaltig steigern und ihr kulturelles Profil schärfen.
Graz blieb von 2003 das Kunsthaus mit dem blauen Warzendach mitten in der Altstadt, und Linz gelang der angestrebte Imagewechsel von der Stahl- und Industriestadt zu einem Hotspot zeitgenössischer Kultur-Events.
Dieses Mal ist einiges anders und manches neu: Der Trend geht schon länger zu kleineren Kulturhauptstädten, von Kunst hin zu gesellschaftlichen Fragen, und erstmals handelt es sich um eine ländliche Region mitten in den Alpen. 23 Gemeinden, so viele wie noch nie zuvor, haben sich zu einer Kulturhauptstadt zusammengeschlossen, vielleicht sollte es zum besseren Verständnis auch Kulturhauptstadtregion heißen. Mit seiner Bilderbuchlandschaft aus Bergen und Seen benötigt das Salzkammergut den Titel nicht, um sich als Reiseziel zu profilieren, schon seit den Zeiten der kaiserlich-adeligen Sommerfrische im 19. Jh. ist es als Tourismusregion bekannt. Traditionen sind hier tief verwurzelt und werden lebendig gepflegt, von Musik über Handwerk, Theater, Literatur bis hin zur Wirtshauskultur. Wozu dann ein Kulturhauptstadtjahr?
2024 soll der Region Gelegenheit für einen Relaunch bieten und dazu, Salzkammergut-Klischees aufzubrechen, historisch Belastetes aufzuarbeiten, zeitgenössische Kultur (Lokales und Globales) vor den Vorhang zu holen, Sichtweisen kritisch zu hinterfragen, nachhaltigere und ökologischere Formen des Tourismus und Zukunftsperspektiven für den ländlichen Raum in Zeiten des Klimawandels und der Landflucht zu entwickeln.
Thematisiert wird das in rund 300 Projekten und Veranstaltungen, ein beachtlich vielschichtiges Programm mit Kunstausstellungen drinnen und draußen und virtuell im Web, Vorträgen, Workshops, Podiumsdiskussionen, Gesprächsabenden, Theaterprojekten, Lesungen, Fachtagungen, Symposien, geführten Wanderungen ins Gebirge, Performances, AR-Installationen, (Haus-)Konzerten mit lokaler Volksmusik, Straßenmusik, Festivals, Tanzprojekten, Musical- und Opern(ur)aufführungen, Stammtischen, Buchprojekten, Filmvorführungen und offenen Denk- und Musikwerkstätten. Renommierte Künstler:innen aus dem In- und Ausland haben eigens Kunstwerke für die Region geschaffen bzw. setzen sich in ihren Arbeiten mit dem Salzkammergut auseinander. Haltestellen entlang der Traunseetram und an der Salzkammergutbahn sowie schwimmende Plattformen im Traunsee werden zu Kunsträumen umfunktioniert. Große Architekturprojekte, wie sie im Zuge eines Kulturhauptstadtjahrs oft realisiert wurden, sind keine auf der Agenda, ganz im Gegenteil, es wurde der Leerstand erhoben, um ihn mit neuem Leben zu füllen. Vieles ist interaktiv und partizipativ angelegt, um auch die Menschen vor Ort ins Boot zu holen.
Unter www.salzkammergut-2024.at kann man das Programmbuch bestellen bzw. herunterladen, es ist 344 Seiten dick.
Die zentrale Kunstausstellung findet im früheren Bad Ischler Sudhaus statt und zeigt unter dem Titel „Kunst mit Salz und Wasser“ Skulpturen, Installationen und Videokunst von Künstler:innen aus 12 Ländern (bis 31. Oktober 2024). Mit einer Ausstellung zu Adolf Hitlers Kulturpolitik und der Rolle des Salzkammerguts als Lager- und Umschlagplatz von Kunstwerken während des Dritten Reichs schließt sich der Kreis zur früheren Kulturhauptstadt Linz, die Schau findet im dortigen Lentos Kunstmuseum statt (bis 8. September 2024).