Reportage

Rifugio Fuciade
Eine Liebesgeschichte

Das im Herzen der Dolomiten gelegene Rifugio Fuciade hat es Florian Fritz angetan. Zusammen mit seiner Frau Sibylle Fritz schreibt er für uns den Dolomiten-Reiseführer, kennt sich in der Gegend also bestens aus. Warum das Rifugio am Fuß der Costabella-Bergkette ein ganz besonderer Ort für ihn ist, verrät er hier.

Autor Florian Fritz
Autor Florian Fritz

Man marschiert um eine Ecke, tritt aus dem lichten Wald und steht am Rande einer weiten Almfläche auf knapp 2000 Metern Höhe, wo Kühe und Hütten durcheinandergewürfelt vor einer mächtigen Felskette liegen. Ein Märchendorf wie aus der ladinischen Sagenwelt etwa 45 Fußminuten entfernt vom Passo San Pellegrino an der Provinzgrenze zwischen Trentino und Veneto. Hier kann man wandern, entspannen und hervorragend essen.

Eine Frau steht auf einem Wanderweg und blickt Richtung Tal. Im Hintergrund sind Bergspitzen und ein blauer Himmel mit einigen Wolken.
Traumhafter Ausblick – Foto: Florian Fritz

Es gibt Touren auf die Forca Rossa (3:30 Std., 600 hm), zum Passo delle Selle (3:30 Std., 700 hm vom Passo San Pellegrino) und zum Passo Ombrettola (5:30 Std., 1000 hm), der Blick auf die Dreitausender der Pale di San Martino ist wie ein Dauerwerbefilm.

Die Costabella-Bergkette wird von der Morgensonne angestrahlt.
Der Dauerwerbefilm – Foto: Florian Fritz

Das Rifugio Fuciade liegt am hinteren Ende der Almfläche, eingebettet in sanft gewellte, leicht ansteigende Wiesen. Das erste Mal übernachteten wir hier zu meinem Geburtstag im August 2017, schwarze Wolken formten sich am Himmel zu düsteren Ballen, innen vermittelten die holzgetäfelten Räume, dekoriert mit Bildern und Skulpturen, Behaglichkeit, und das Essen schmeckte – himmlisch.

Eine Winterlandschaft in den Bergen mit zwei Hütten im Vordergrund
Malerische Winterlandschaft – Foto: Florian Fritz

Seither waren wir viele Male dort, Bilder, Stimmungen und Erlebnisse verdichten sich in meinem Kopf zu einem sinnenfrohen Kaleidoskop: Fuciade im Winter, eiskaltes Morgenlicht über knirschendem Schnee, trüber Herbstregen mit knallrotem Schirm vor tiefgrüner Wiese und feuchtbraunem Hüttenholz, im grellen Hochsommer unter mampfenden Kühen und surrenden Mücken, im farbenfrohen Juni zwischen blühenden Wiesen, und immer wieder die Zacken der Pale San Martino, des Wahrzeichens der Gegend: scharfkantig in der Sonne, bedrohlich unter Gewitterwolken, trübe im Nebelschatten oder: gar nicht da, weil wolkenverhangen.

Eine Frau läuft mit einem roten Regenschirm zwischen zwei Hütten hindurch auf eine Nebelwand in den Bergen zu.
Hinter der Nebelwand geht's weiter – Foto: Florian Fritz

Die Familie Rossi betreibt diese Hütte seit über 40 Jahren, sie wurde fortwährend erweitert. Sergio, Sammler aus Leidenschaft, stellt im Kellergeschoss 300 historische Butterformen in alten Schränken aus und interessiert sich für moderne regionale Kunst. Er ist der Antreiber und war lange der Küchenchef in dieser generationenübergreifenden Geschichte von Träumen und Visionen und wie man sie mit Hartnäckigkeit, Geduld und Glück umsetzen kann.

Nahaufnahme von alten Butterformen in unterschiedlichen Größen und Ausführungen.
Historische Sammelleidenschaft – Foto: Florian Fritz

Seine Frau Emanuela ist die gute Seele und Sohn Martino mittlerweile der Koch. Ladinisch geprägte Küche mit lokalen Zutaten, vieles selbst angebaut, ist seit jeher der Markenkern, begleitet von einer hervorragenden Weinauswahl. Beispiele gefällig? Als Antipasto Tomino in Crosta di Grissini con Radicchio e Pomodoro dolce, als Primo Gnocchetti di Polenta con Pesto alle Erbe di Campo, Ricotta Affumicata e Limone, als Secondo Uovo poché bio con Crema di Patate, Puzzone di Moena, Speck e Pane tostato – mmh!

Auf einem Teller ist rosarotes Risotto, welches mit Creme und Kräutern verziert wurde.
Da läuft einem das Wasser im Mund zusammen – Foto: Florian Fritz

Die Hütte ist eine Melange aus Luxus (es gibt ein Zimmer mit Whirlpool, wer nur zum Abendessen kommt, kann mit dem SUV bis vor die Tür fahren), grandioser Naturnähe und geschmackvoller Musealität – einen vergleichbaren Ort kenne ich nicht. Es ist zudem ein Ort, an dem auch in Zeiten des Wandels eine entspannte Beständigkeit herrscht. Das Personal ist 2024 immer noch weitgehend das gleiche, der freundliche Hund ist älter geworden, rennt aber immer noch schwanzwedelnd zwischen den Gästen umher. Koch Martino, den mit wortkarg zu beschreiben ein Euphemismus ist, hat mittlerweile geheiratet. Der Mitarbeiterstamm ist fast unverändert geblieben, immer ein gutes Zeichen.

Eine schneebedeckte Winterlandschaft mit mehreren Hütten und einer Bergkette im Hintergrund. Auf der linken Seite des Bildes führt eine Langlaufstrecke zwischen den Hütten hindurch.
Bei genug Schnee ist auch Skilanglauf möglich – Foto: Florian Fritz

Sergio hatte es sich in den Kopf gesetzt, in Canazei ein Arthotel zu eröffnen, ein gigantisches Investment, von dem nicht alle in der Familie überzeugt waren. Aber ihm wurde die Hütte, wiewohl sein Lebenswerk, zu klein. Seit 2021 betreibt er die Locanda degli Artisti, ein fantastisches Haus mit von Künstlern eingerichteten Zimmern, und ist nur noch ab und an zu Besuch auf „seiner“ Hütte. Seitdem ist Emanuela uneingeschränkte Herrscherin im Rifugio Fuciade, was sie nicht stört, denn für sie ist das idyllische Almdorf mit den weiten Wiesen, schützend eingerahmt von Hügeln und zackigen Berggipfeln, immer noch groß genug.

Eine Statue liegt auf einer Steinwand vor einer Kuhweide und Bergen seitlich in liegender Pose.
Tolle Aussicht in alle Richtungen – Foto: Florian Fritz

Seit 2023 gibt es ein Chalet mit gemütlichen Wohnungen, etwas südlich der Hütte gelegen. Wenn man von dort erwartungsvoll zum Abendessen aufbricht und mehrere Stunden später satt und glücklich mit Taschenlampe unterm Sternenhimmel zurückwandert und dann noch der Fuchs fast lautlos im Schein des Lichtkegels übers taufeuchte Gras an einem vorüberhuscht – dann ist das der perfekte Moment an einem perfekten Ort.

Eine Winterlandschaft in den Bergen, der Mond steht sichelförmig am dunkler werdenden Himmel. Ein orangener Streifen am Horizont zeigt das letzte Tageslicht.
Ein wunderschöner Nachhauseweg – Foto: Florian Fritz

Hier geht's zum Rifugio Fuciade: www.fuciade.it/de/

Passend dazu