WO? Carrer Mallorca +++ L2/L5 Sagrada Familia +++
sagradafamilia.org/en/worship-at-the-basilica +++
WANN? Sonntags um 9 Uhr +++
Wichtig! Einlass ab 8 Uhr, nicht zu spät kommen und »sittsam« kleiden +++
WIE LANGE? 1 Stunde +++
WIE VIEL? Kostenlos (Kleingeld für den Klingelbeutel) +++
ist schon etwas verblasst, aber er lief deutlich anders ab. Weder gab es eine Sicherheitskontrolle wie am Flughafen, noch musste man Schlange stehen. Hier, vor der Geburtsfassade der Sagrada Familia, sind es gleich mehrere parallel nebeneinander, die dann rund eine Stunde vor Beginn der internationalen Messe in die Basilika vorgelassen werden. Und auch Platzanweiser sind im Einsatz, um die Kirchenbänke geordnet aufzufüllen. Für eine Stunde am Sonntag kann die Sagrada Familia das sein, wofür Gaudí sie konzipiert hatte: ein heiliger Ort, mit Predigt, Weihrauch und Innehalten statt Touri-Infos, Selfies und Sightseeing-Runde. »Bitte keine Fotos«, erklärt ein Sprecher vor Beginn, er weist auf QR-Codes für die Liedtexte hin sowie auf separate Hostien ohne Gluten für Gläubige mit Zöliakie.
Der Innenraum mit seinem 45 Meter hohen Hauptschiff und den Säulen, die mit ihren Verzweigungen an den oberen Enden an Bäume erinnern, ist seit 2010 fertig. Ich vermisse höchstens eine Heizung an diesem Dezembersonntag. Netterweise teilt die junge Frau neben mir die Decke, die sie über ihren Knien ausgebreitet hat, mit ihren Sitznachbarn. Praktizierte Nächstenliebe. Der Gottesdienst ist ein wilder Mix aus mehreren Sprachen, ohne Überleitung wechselt der Priester zwischen Lateinisch, Englisch, Katalanisch und Spanisch. Gerade vergleicht er das Kommen des Messias mit dem Warten auf ein Amazon-Paket – so etwas kann schon mal dauern. Während der Predigt lasse ich meinen Blick schweifen, betrachte die bunten Glasfenster, vor denen der Weihrauch aufsteigt. Über dem Altar schwebt ein Baldachin mit Hängeleuchten, der dem ebenfalls von Gaudí gestalteten Exemplar in der Kathedrale von Palma zum Verwechseln ähnlich sieht. Das vom Säulenwald getragene Gewölbe der künftig höchsten Kirche der Welt deutet ein Blätterdach an. Keine Frage, das gleichermaßen geometrische wie spirituelle Vermächtnis von Gaudí hat mehr als flüchtige Blicke verdient.
weist der Sprecher darauf hin, dass bitte nur getaufte und praktizierende Katholiken nach vorne kommen sollen. Rund die Hälfte der Gottesdienstbesucher erhebt sich. Was am Altar passiert, lässt sich derweil auch auf den Bildschirmen an den seitlichen Säulen verfolgen. Eine Kamera blickt sogar dem Organisten über die Schulter. Er wird von einem Chor begleitet, und der Schlussakkord eines jeden Chorals hallt noch mehrere Sekunden lang in der 90 Meter langen Kirche nach. Dann tragen Gläubige die Fürbitten in fünf verschiedenen Sprachen vor. Zum Ende der Messe ziehen die Geistlichen mit ihren elf Ministranten feierlich durch das Hauptschiff aus der Kirche – es ist wieder Zeit für die touristischen Führungen. Nach der Zwangspause durch Corona fließen nun erneut Eintrittsgelder, die den Weiterbau der Sagrada Familia (siehe S. 164) ermöglichen. Und die bis zu 15.000 Touristen täglich dürften mit ihren Tickets deutlich mehr zur Fertigstellung der Sagrada Familia beitragen als die Gläubigen mit ihrer Klingelbeutel-Spende.
Ein paar Meter weiter, in der »ganz normalen« Església de les Dominiques de l’Ensenyament (Carrer Mallorca, 349), feiern am späten Vormittag auch die deutschsprachigen Katholiken die Heilige Messe mit anschließendem Kaffee im Pfarrsaal (jeden So 11 Uhr außer August, kg-barcelona.de, Carrer Provença, 388, 2°, 1ª). Die Auslandsgemeinde besteht bereits seit 1922.
Dies ist eines von 33 Erlebnissen in und um Barcelona, die außergewöhnlich sind und abseits der Routen stattfinden, aufgeschrieben von der Reisebuchautor Frank Feldmeier. Der Artikel ist erschienen in Barcelona – Abenteuer (1. Auflage 2024) innerhalb der Reihe MM-Abenteuer.