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Acquedotto pugliese – ein Jahrhundertprojekt
Teil 2: Der Palast des Wassers

Andreas Haller, der Autor unseres Apulien-Reiseführers, hat auf seiner letzten Recherchereise dem Acquedotto pugliese einen Besuch abgestattet. Der riesige Apulische Aquädukt befördert Wasser aus den regenreichen Regionen Italiens in den trockenen Südosten am Absatz des Stiefels und ist das größte Wasserleitungsprojekt Europas. Im ersten Teil der Reportage war Andreas Haller auf dem Radweg „Ciclovia dell’Acquedotto pugliese“ unterwegs, der dem Weg des Wassers folgt. Im zweiten Teil besucht er einen ganz besonderen Palast im Herzen der apulischen Hauptstadt Bari …

Autor Andreas Haller
Autor Andreas Haller

In italienischen Großstädten ist der frühe Vormittag eine seltsame Zwischenzeit. In den Büros wird seit geraumer Zeit fleißig gearbeitet, wohingegen das Geschäftsleben in den Straßen noch nicht wirklich Fahrt aufgenommen hat. Obwohl ich mich im Zentrum von Bari befinde, ist es daher recht ruhig. Ich stehe vor dem beeindruckenden Portal eines imposanten Stadt-Palazzos. Cremefarbene Quader aus Kalkstein, der in der Umgebung der Hafenstadt Trani gewonnen wird, verleihen dem Gebäude im neoromanischen Stil ein festungsartiges Aussehen. Es steht in der Neustadt, einem Viertel, das Joachim Murat, ein Schwager Napoleons, im frühen 19. Jh. aus der Taufe gehoben hat. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich mit dem Teatro Petruzzelli eine stadtbekannte Kulturinstitution.

Ein weißes Schild, auf dem ein blauer Baum abgebildet ist und »acquedotto pugliese« zu lesen ist.
Signet der Verwaltung des Acquedotto Pugliese – Foto: Andreas Haller

Wasser – die Lebensversicherung Apuliens

Vor einigen Tagen habe ich unweit von Bari im Hinterland mit dem Mountainbike das erste fertiggestellte Teilstück eines neuen Radwanderwegs getestet. Die Ciclovia dell’Acquedotto pugliese folgt der Trasse der großen apulischen Wasserleitung; als Leuchtturmprojekt soll sie Apulien auf dem Weg zu einem nachhaltigen Tourismus voranbringen.

Ein altes Werbeplakat für das Acquedotto Pugliese zeigt einen gelben Kartenausschnitt unter einem blauen, stilisierten Wasserfall.
Werbeplakat für den Acquedotto Pugliese – Foto: Andreas Haller

Weit wichtiger als das Tourismusprojekt ist aber für die Region die Wasserleitung selbst, denn der Apulische Aquädukt versorgt die Haushalte sowie die landwirtschaftlichen Betriebe mit lebenswichtigem Wasser. Eine vielköpfige Verwaltung überwacht daher das sensible Leitungskonstrukt. Sie hat ihren Sitz in Bari in eben dem Haus, vor dem ich stehe: dem Palazzo dell’Acquedotto Pugliese oder schlicht Palazzo dell’Acqua (Palast des Wassers). Samstag und Sonntag finden am Vormittag Führungen durch das Gebäude statt. In Kürze soll die nächste Tour beginnen …

Im Vordergrund liegen Fischerboote am Hafen. Dahinter befindet sich ein beiger Palast.
Bari: Unweit vom Wasserpalast liegt der alte Fischerhafen – Foto: Andreas Haller

Viel Jugendstil und ein erzürnter Duce

Der spröde Ersteindruck verflüchtigt sich, als wir gemeinsam mit dem Guide das helle Atrium des Wasserpalasts betreten.

Ein Wandgemälde zeigt eine Frau, die Wasser aus einem Krug auf eine Landkarte von Apulien gießt.
Wandgemälde im Wasserpalast: Die Quellnymphe befruchtet Apulien – Foto: Andreas Haller

Als Erstes beschämt mich der Guide mit dem Hinweis auf ein Detail an der Außenseite des Portals, das sich beim näheren Hinsehen als Miniaturausgabe vom Castel del Monte, der berühmten achteckigen Stauferburg, entpuppt. Ich hatte das filigrane Schmuckstück, so viel zur selektiven Wahrnehmung, glatt übersehen!

Eine Nahaufnahme des Marmorbodens. Es bildet eine Intarsie eines Pferdes ab.
Marmorintarsien im Fußboden: Detailansicht – Foto: Andreas Haller

Im Atrium steht die Kopfbüste des genialen Konstrukteurs des Leitungssystems, Cesare Brunetti, Blickfang im Hof ist ein Brunnen mit den Wappen der apulischen Provinzen. Wie andere Details im Inneren ist auch er eine Hommage an das nasse Element, denn Moosbewuchs lässt die Kalksteinsäule wie einen Baumstamm aussehen.

Aufnahme eines weißen, marmornen Treppenhauses von oben.
Repräsentatives Treppenhaus im Palast des Wassers – Foto: Andreas Haller

Über das repräsentative Treppenhaus geht es danach hoch in die Beletage. Immer wieder macht uns der Guide auf viele kleine Details im Gebäude aufmerksam, die den Wasserpalast zum einzigartigen Schatzkästchen machen: Ornamente im Jugendstil finden sich in den Fensterscheiben und Fußböden, an Treppengeländern und Türgriffen.

Andreas Haller
Wasserpalast: Jugendstil-Kunst in der Beletage – Foto: Andreas Haller

Bemerkenswert sind auch die Holzintarsien der Möbel. Über 140 original erhaltene Möbelstücke zieren die Repräsentationsräume. Bei der ganzen Pracht verwundert es nicht, dass sich bei der Eröffnung des Palasts im Jahr 1932 Diktator Benito Mussolini „not amused“ zeigte – schließlich hasste der Duce verschwenderischen Prunk.

Andreas Haller
Holzintarsien im Mobiliar: Detailansicht – Foto: Andreas Haller

Im Zeichen des Olivenbaums

Die von Mussolini monierte „Verschwendungssucht“ der Auftraggeber, Architekten und Konstrukteure erklärt sich aus dem Stolz der Menschen, das Wasserleitungsprojekt erfolgreich gestemmt zu haben. Aus kunstwissenschaftlicher Sicht bemerkenswert ist die stilistische Geschlossenheit des Palasts. Die symbolische Formensprache wird von großflächigen Wandgemälden bis hin zu kleinsten Accessoires wie Türklinken durchdekliniert.

Ein Wandgemälde zeigt Frauen, die weiße Tücher auswringen. Sie befinden sich vor einer Stadt. Zwischen ihnen liegt ein ausgegrabenes Rohr.
Wasser schafft Leben: Wandgemälde im Palast des Wassers – Foto: Andreas Haller

Die zentralen Elemente der Jugendstil-Symbolik sind Bogen und Welle, wobei die Welle für das Wasser steht, der Bogen für den Kanal. In der Bildsprache des Palasts findet sich bei näherem Hinsehen der ganze Reichtum der an Schönheit nicht gerade armen Region Apulien wieder. Auch der stilisierte Olivenbaum darf in diesem Zusammenhang nicht fehlen. Ich hatte das Symbol vor einigen Tagen auf meiner Radtour am Geländer des Brückenviadukts entdeckt und erkenne ihn jetzt natürlich sofort wieder.

Ein Olivenbaum ist als Holzintarsie abgebildet.
Der Olivenbaum als kunstvolle Holzintarsienarbeit – Foto: Andreas Haller

Mein Fazit am Ende des Besuchs: Der Palast des Wassers ist eine Attraktion, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Wie kein anderes Bauwerk repräsentiert er die Seele Apuliens!

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