WO? Privatfinca Son Danus, Landstrasse Ma-19 Campos–Santanyí, kurz nach
Kilometerstein 47 +++ rolf-schaffner.com +++
WANN? Nach Vereinbarung +++
WIE LANGE? Ca. 3 Stunden +++
WIE VIEL? 20 Euro pro Person +++
Wichtig!
Buchungsanfragen per E-Mail über iflohr.santanyi@gmail.com
oder telefonisch (+34 690-21 87 09), weitere Infos unter
kunst-touren-mallorca.com +++
Zwischen wilden Olivenbäumen folgen wir Ingrid Flohr und treten dabei die krautigen Pflanzen zwischen Moos und Steinplatten flach – weißer Affodill, wie die Galeristin weiß. Sie bleibt plötzlich stehen, sagt aber nichts. Wir sollen selbst auf etwas aufmerksam werden – eine überlebensgroße Skulptur aus versetzt aufgeschichteten Steinen in einiger Entfernung. Zuoberst bilden sie einen moosbewachsenen Kranz, der in der Abendsonne zu strahlen scheint. Holt sich hier die Wildnis eine alte Kultstätte zurück? Ingrid Flohr lacht nicht über die Assoziation mit den überwucherten Maya-Ruinen. Das gehe vielen Besuchern so, wenn sie das erste Mal diese Kunstgalerie unter freiem Himmel betreten, die über Jahrzehnte sich selbst überlassen war und weder ausgeschildert, noch von außen erkennbar ist.
Der deutsche Bildhauer fand hier in den 1960er-Jahren sein Material – den Marés-Sandstein von Santanyí – und sein Atelier: die freie Natur. Auf Son Danus, der Finca von Freunden, schuf er ohne Auftrag knapp zwei Dutzend aufwendige Großskulpturen. Er schichtete sie aus Natursteinen auf, ähnlich wie die Bauern auf Mallorca ihre Begrenzungsmauern zwischen den Feldern. Dank Zementierung sind die Werke zwar gut erhalten, aber nur im Rahmen von kleinen Führungen zu sehen – von Touristenbussen wollen die Finca-Besitzer nichts wissen. Ein Teil der Skulpturen entstand, nachdem Schaffner zehn Jahre in Deutschland gelebt hatte. Erschrocken über die touristische Zersiedelung nach seiner Rückkehr auf die Insel in den 1990er-Jahren wurden seine Werke abstrakter und kritischer. Windzerzaust stehen wir zwischen den »Zeugen am Weg« – elf Steintürmen, die ohne den Wildwuchs von der Landstraße aus zu sehen wären – und betrachten Trümmer im Gebüsch, offenbar Reste einer eingefallenen Windmühle. Es handelt sich um die vom Sturm umgerissene Skulptur »5 vor 12«. Der Bildhauer ließ sie einfach liegen und nannte sie fortan »5 nach 12«.
steigen wir über die Reste eines Zaunes – und stehen vor einer steinernen Pferdeschar. Wieder führt kein Schild zu dem versteckten Schatz! Der 2008 verstorbene Künstler hat aber auch im öffentlichen Raum Spuren hinterlassen und etwa seinen Beitrag zur Kunst im Kreisel geleistet – praktisch kein Kreisverkehr auf Mallorca kommt ohne Skulptur aus. »Rey y Reina« – König und Königin – stehen als steinerne Stelen unweit der Pferde. Letzte Station ist Cala Santanyí, wir steigen aus dem Auto, als gerade die Sonne untergeht. Sie färbt die Wolken über der Bucht feurig rot und hüllt Es Pontàs, eine monumentale steinerne Brücke im Meer, in weiches Licht. Dem Wahrzeichen von Santanyí gegenüber steht an der Steilküste eine letzte Stele Schaffners. Sie gehört zum Werk »Equilibrio«, Gleichgewicht, ein Mahnmal für Frieden und Naturschutz. Sechs Meter hoch sind die Quader ausbalanciert. Was würden Steine sagen, wenn sie sprechen könnten? Ingrid Flohr zitiert die Antwort eines früheren Besuchers: »Sie würden schweigen.«
Wer noch mehr über das Werk Rolf Schaffners erfahren will, kann die Dauerausstellung in der Casa de Cultura de Ses Cases Noves in Santanyí besuchen (C/de sʼAljub, 22, Mi, Sa 10–14 Uhr). In dem herausgeputzten, bei Deutschen beliebten Ort gibt es eine Reihe netter Lokale, Läden und Galerien zu entdecken, mittwochs und samstags ist Markttag (siehe S. 216). Einer der schönsten Strände der Insel findet sich in der nahen Cala Mondragó (siehe S. 213).
Dies ist eines von 33 Erlebnissen auf Mallorca, die außergewöhnlich sind und abseits der Routen stattfinden, aufgeschrieben von Reisebuchautor Frank Feldmeier. Der Artikel ist erschienen in Mallorca – Abenteuer (1. Auflage 2022) innerhalb der Reihe MM-Abenteuer.