Abenteuer erleben

Teil 27: Eine Nacht im Brückenhäuschen
Schlafen, wo einst die Brückenwärter arbeiteten

Autorin Diana Stănescu
Autorin Diana Stănescu

+++Steckbrief+++

WO? Overtoom 580 +++ Tram 1/17 Surinameplein +++ sweetshotel.amsterdam +++
WIE VIEL? Brückenhaus overtoom ab 125 Euro/Nacht für 2 Personen (inklusive: Bademantel, Hausschuhe, Föhn, Duschgel, Kühlschrank, Mikrowelle, etwas Geschirr, Tablet mit Infosüber die Umgebung); Je nach Brückenhaus und Lage können die Preise auch deutlich höher sein +++
WICHTIG! Kinder und Haustiere sind leider nicht zugelassen +++

Illustration eines Häuschens an einer Brücke. Im Vordergrund fließt ein Fluss, im Hintergrund überqueren Fahrradfahrer die Brücke.
Illustration: Mirja Schellbach

Eine besondere Nacht

steht mir bevor. In der Dämmerung sehe ich schon von Weitem mein »Hotel«. Wie eine Festung im Miniaturformat thront es an der Schnittstelle von Brücke und Kanal. Ich nähere mich dem einstigen Brückenwärterhäuschen mit den grünen Sprossenfenstern, steige die paar Stufen zum Eingang hoch. Ein Mann mit Hund spricht mich im Vorbeigehen höflich an: »Entschuldigen Sie, wohnen Sie hier? Wie spannend, ich sehe die Gäste immer, wenn ich mit meinem Hund Gassi gehe!« Ich aktiviere per Handy den Schlüsselcode, den mir der Betreiber, SWEETS hotel, pünktlich um 16 Uhr geschickt hatte. Taddaaa! Die schwere Stahltüre springt auf – und ich betrete neugierig meine Wohnung, das Overtoomsesluis nahe Vondelpark. Mit 45 Quadratmetern ist sie größer als so manches Hotelzimmer in Amsterdam.

Blick durch einen Türrahmen auf ein weißes Doppelbett.
Gar nicht mal so klein. – Foto: Diana Stănescu

Durch den kurzen Flur

geht es in die Küche. Ein Steinwaschbecken mit rot-weißem Schachbrettmuster zieht meinen Blick auf sich. Wasserkocher, etwas Geschirr, Mikrowelle – alles da. Rechts geht es in die geräumige Dusche. Durch die verglaste Sprossentüre betrete ich den Wohnraum. Vorbei an Tisch und Sesseln gelange ich zum Herz des Häuschens: dem Alkoven. Ich ziehe die grünen Samtvorhänge auf und schaue auf ein blütenweißes Doppelbett, eingefasst von einer tiefgrünen Holzvertäfelung. Wandlämpchen sorgen für warmes Dämmerlicht in der gemütlichen Schlafhöhle. Stimmengewirr und Verkehrslärm dringen in mein schickes kleines Reich, die Straßenbahn rattert vorbei, das Häuschen vibriert. Exponiert und etwas einsam zugleich fühle ich mich. Wie das wohl früher die Brückenwärter empfanden, die in diesen Häuschen die Brücken für die Schiffe öffneten? Brückenwärter, das war ein angesehener Beruf – bis die Stadt die Öffnung der Brücken 2009 automatisierte. Die Brückenhäuschen standen leer, bis SWEETS hotel sie aufkaufte, vom Amsterdamer Architekturbüro Space & Matter einfühlsam restaurieren ließ und 2018 als stylishe Unterkünfte eröffnete. Das älteste der 28 Häuschen stammt von 1673, das neueste von 2009.

Illustration eines Bootes, das unter einer aufgeklappten Brücke durch fährt.
Illustration: Mirja Schellbach

Am nächsten Morgen

wache ich tiefenentspannt auf: So nah an der Melodie der Straße, und doch geborgen in meinem Alkoven, war ich am Abend in tiefen Schlaf gefallen. Ich öffne das Fenster zum Kanal, atme ein, blinzle aufs Wasser, das grau und träge dahinfließt. Und plötzlich: Da, ein Ausflugsschiff kommt! Es nähert sich schnell, schwimmt an meinem Fenster vorbei, greifbar nah. Ich wechsle zur Straßenseite und sehe, wie die Klappbrücke langsam automatisch hochgefahren wird, sodass das Schiff passieren kann. Direkt vor meinem Fenster sammeln sich an der Schranke wartende Radfahrer, Fußgänger und Autos. Ich mache Fotos, und eine Radfahrerin lacht mir zu, hält den Daumen hoch, als wollte sie sagen: Gut gemacht, Brückenwärterin! Ich lache zurück. Und denke beim Auschecken: Daumen hoch für diesen wirklich außergewöhnlichen Aufenthalt! Beim Morgenkaffee in der gemütlichen kleinen Kneipe gegenüber bin ich mir sicher: Es war nicht meine letzte Nacht in einem Brückenhäuschen.

Ein See in einem Park mit Brunnen und einem Graureiher rechts im Bild.
Der Vondelpark ist gleich ums Eck. – Foto: Diana Stănescu

Wenn man schon mal hier ist:

Abgesehen von den Lokalen in der Umgebung, die ein Tablet im Brückenhäuschen sorgfältig mit Entfernungsangaben auflistet, gibt es ein weiteres lohnendes Ausflugsziel vom Brückenhaus aus: Der Vondelpark ist nur einen Katzensprung entfernt. Gerade am Wochenende entfaltet er seinen Charme: Jogger und Radfahrer sind auf den Alleen unterwegs, auf den Wiesen huschen Eichhörnchen vorbei, und am Teich staksen Vögel am Ufer entlang.

Dies ist eines von 33 Erlebnissen in Amsterdam, die außergewöhnlich sind und abseits der Routen stattfinden, aufgeschrieben von Reisebuchautorin Diana Stănescu. Der Artikel ist erschienen in Amsterdam – Abenteuer (2. Auflage 2023) innerhalb der Reihe MM-Abenteuer.

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