Dirk Sievers, der Autor unseres Niederlande-Reiseführers, hat den niederländischen Nationalpark Hoge Veluwe erkundet und dabei einige erstaunliche Entdeckungen gemacht. In dem zweitgrößten Naturreservat des Landes trifft man mit etwas Glück nicht nur auf Mufflons, sondern kann zwischen Heidelandschaft, Wald und Moorseen ganz große Kunst und herausragende Architektur bestaunen.
Die Entscheidung steht. Die nächste Reise soll zu unseren Nachbarn nach „Holland“ führen. Aber wohin genau? Amsterdam? Nordseeküste? Watteninseln? Naheliegende Optionen, gute zudem. Aber vielleicht finden sich noch andere Schönheiten etwas abseits der Routen? Die Wahl fällt auf den Nationalpark Hoge Veluwe, die grüne Lunge der Niederlande zwischen Apeldoorn und Arnhem. Er ist von Deutschland aus gut zu erreichen, sowohl aus dem hohen Norden als auch aus dem tiefen Süden. Es wartet eine prächtige Landschaft voller Überraschungen, die sich landestypisch auf dem Fahrrad bestens erkunden lässt, gerne in Verbindung mit Abstechern in Sachen Architektur, Kunst oder Wellness. Klingt das gut? In diesem Fall dürfte es sich lohnen, weiterzulesen.
Der Nationalpark Hoge Veluwe, der mit 54 km² zu den größten Naturschutzgebieten des Landes zählt, verdankt seinen Reiz den unterschiedlichen Landschaftstypen. Er ist geprägt von Heide, Wäldern und Wasserflächen. An den Eingängen stehen 1800 weiße Fahrräder (Witte Fietsen) zur freien Nutzung bereit. Man sollte das Auto stehen lassen und mit dem Rad losfahren: Stundenlang kann man durch die Landschaft radeln und nach Hirschen oder Mufflons Ausschau halten. Die schier endlosen Wege, darunter schöne Rundstrecken, bieten grenzenlose Möglichkeiten, weit mehr, als man an einem Tag „erfahren“ kann. Einen Abstecher lohnt das kleine „Museonder“ im Besucherzentrum, Europas erstes Museum, das sich mit dem Leben unter der Erdoberfläche befasst.
Ein besonderer Teil des Areals ist das größte Treibsandgebiet Westeuropas, Kootwijkerzand, eine weite Landschaft voller Sandverwehungen. Hier versteckt sich die Sendestation Radio Kootwijk. Sie sorgte einst für eine Telefonverbindung in die frühere Kolonie Niederländisch-Indien. Das Hauptgebäude, das an eine Kathedrale erinnert, gilt als Musterbeispiel der niederländischen Art-déco-Betonarchitektur. Im seinem Umkreis standen einst sechs Sendemasten mit einer Höhe von 212 m, zwischen denen Antennen gespannt waren. Diese Anlage hatte einen Durchmesser von gut einem Kilometer. Im Mai 1923 gelang die erste erfolgreiche Radiotelegraphie-Verbindung. In den späten 1970er-Jahren wurden die Sendemasten zurückgebaut.
Im Norden des Nationalparks findet sich ein echtes Juwel, das Jachthuis Sint Hubertus, ein Meisterwerk des Architekten Hendrik Petrus Berlage, das Henry van de Velde 1920 mit Jugendstilelementen vollendete. Das Jagdhaus mit Turm ist dem englischen Landhausstil nachempfunden und war seiner Zeit weit voraus. Hier befanden sich das erste Telefon der Stadt und der erste Fahrstuhl der Niederlande! Im Ostflügel liegt ein helles Teezimmer für die Damen, im Westflügel ein dunkles Raucherzimmer für die Herren, alles in perfekter Geometrie. Bemerkenswert ist auch der große Teich (eher ein See), der in Handarbeit mit Schaufeln angelegt wurde. Führungen machen das Anwesen zugänglich. In der Theekoepel gibt es ein ganz kleines Café.
Der Nationalpark war noch in den 1930er-Jahren Privateigentum von Helene Kröller-Müller (1869–1939), deren einzigartige Kunstkollektion Weltruhm genießt. Im Rijksmuseum Kröller-Müller findet sich neben Arbeiten von Paul Cézanne, Lucas Cranach, Paul Gauguin, Ferdinand Leger, Piet Mondrian, Claude Monet, Pablo Picasso, Auguste Renoir und anderen eine der weltgrößten Vincent-van-Gogh-Sammlungen: 278 Gemälde und Zeichnungen! Hier hängen Seite an Seite seine berühmten Kartoffelesser (1885), sein Selbstporträt (1887), die Caféterrasse am Abend (1888), die Brücke von Arles (1888) oder die Straße mit Zypresse und Stern (1890). Im Skulpturengarten, dem größten Europas, verschmelzen Architektur, Kunst und Natur zu einer Einheit.
Möchte man es entspannter angehen oder den Tag ausklingen lassen, lohnt ein Abstecher ins größte Wellness-Resort der Niederlande. Der Veluwse Bron, eine halbe Autostunde nördlich gelegen, bietet Dampfbäder, Hamam, Massagen, Kräuter- und Salzwasserbäder, Saunen, Solarien und Whirlpools auf dem Gelände eines weitläufigen Landguts (21 ha). Selbstverständlich ist auch für kulinarische Genüsse bestens gesorgt. Das Highlight ist die in Europa einzigartige Wildbeobachtungssauna mit Seeblick. Im selben See kann man sich anschließend abkühlen. Wunderbar!