Abseits der Routen

Teil 45: Schottland
Die Äußeren Hebriden – Schottlands Inselwelt

Die gut 200 km lange Inselkette der Äußeren Hebriden liegt nur etwa 60 km vor der schottischen Westküste und scheint doch in vielerlei Hinsicht vom schottischen Mainland meilenweit entfernt. Es bedarf einer Portion Entschlossenheit für den Sprung von der touristisch voll erschlossenen Westküste in die karge und oft spärlich besiedelte Landschaft mit weißen Sandstränden, vielfältiger Tierwelt und gelebter gälischer Kultur. Obwohl die fünf Hauptinseln durch etliche Fahrdämme und kleine Shuttle-Fähren eng miteinander verbunden sind, hat doch jede ihren ganz eigenen Charakter. Andreas Neumeier, Autor des Schottland-Reiseführers, hat den Sprung auf die Inseln gewagt ...

Autor Andreas Neumeier<br>
Autor Andreas Neumeier
Hebrideninsel Lingeigh mit dramatischem Wolkenspiel
Hebrideninsel Lingeigh mit dramatischem Wolkenspiel – Foto: Andreas Neumeier

Barra – menschenleere weiße Sandstrände

Auf Barra gibt es nur eine einzige Ortschaft, Castlebay mit rund 1200 Einwohnern, die im Halbrund um das auf einer winzigen vorgelagerten Insel errichtete Kisimul Castle, den Stammsitz des Clans MacNeil, angeordnet ist. Der beste Ausblick auf die fjordartige Landschaft, die weißen Strände und die verstreuten Inselchen besteht vom 383 m hohen Beinn Heabhal, der einstündige Aufstieg über die Ostflanke erfordert kaum alpine Kenntnisse. Einzigartig ist der winzige Flughafen von Barra, der einzige Ort auf der Insel, wo Zeit wirklich eine Rolle spielt: Die extra für kurze Start- und Landebahnen entwickelten Loganair-DHC6-„Twin Otter“-Propellermaschinen aus Glasgow können nur bei Ebbe in der Sandbucht von Tràigh Mhòr landen. Ist eine Maschine im Anflug, vertreibt ein Jeep mit breiten Walzenreifen zunächst die Muschelstecher vom Strand, bevor die Landefreigabe erfolgt.

Schöner Strand mit Muscheln im Vordergrund
Strände mit magischer Anziehungskraft auf Barra – Foto: Andreas Neumeier

South Uist und Eriskay – Patchwork in Grün und Türkis

South Uist ist die zweitgrößte Insel der Äußeren Hebriden und – nachdem die Reformation hier nie angekommen ist – nach wie vor erzkatholisch. Charakteristisch ist ihre landschaftliche Zweiteilung: Die Osthälfte prägen endloses Moorland und die beiden aus der gebirgigen Landschaft herausragenden Massive des Beinn Mhòr und des Hecla mit jeweils über 600 m.

Warnschild "Otters crossing" neben einer Straße, auf der ein Wohnmobil steht
Überquerung des Fahrdamms von Eriskay nach Uist (nicht nur für Urlauber) – Foto: Andreas Neumeier

Dagegen besteht die Westhälfte aus fruchtbarem Weideland, flachen Wiesen und kleinen Torfstecher-Dörfern. Die kleine Insel Eriskay sicherte sich ihren Platz in der Weltgeschichte 1941, als die SS Politician in dicker Nebelsuppe die Nordspitze rammte und der Bevölkerung 264.000 Flaschen Whisky buchstäblich vor die Türe rollten – der hochprozentigste Schiffbruch in der Geschichte der christlichen Seefahrt. Böse Zungen behaupten sogar, seither niemanden mehr nüchtern auf der Insel vorgefunden zu haben. „Treibgut“ ganz anderer Art findet man in der St Michaels Church von Eriskay: Der Altar besteht aus einem Stück Rumpf eines Rettungsbootes des Flugzeugträgers „Hermes“, die Kirchenglocke stammt vom Wrack des deutschen Kriegsschiffs „Derflinger“, das bei Orkney auf Grund liegt.

Karge Landschaft mit Felsen und Meer
Karge Landschaft mit faszinierenden Farbakzenten auf South Uist – Foto: Andreas Neumeier

North Uist – Paradies für Vögel und Radfahrer

An der Westküste haben sich zahlreiche kleine Orte angesiedelt, die vom Einfluss des Golfstroms profitieren. In manchen Vorgärten finden sich sogar Yucca-Palmen. Eine Ringstraße, die die ganze Insel mit dem Hauptort Lochmaddy verbindet, ist für Radtouren auf flachem Gelände wie geschaffen.

Ein Torfstecherhaus, im Hintergrund ist türkises Meer zu sehen
Blickfang auf North Uist, Torfstecherhaus in Malaclete – Foto: Andreas Neumeier

Entlang der Route reihen sich zahlreiche Sehenswürdigkeiten wie das Barpa-Langass-Grab, ein Steingrab aus der Wikingerzeit in Form eines riesigen Schildkrötenpanzers, oder das Balranald-Vogelreservat, in dem neben Basstölpeln, Austernfischern und Eissturmvögeln auch die drolligen Puffins heimisch sind.

Eine Gruppe Austernfischer (Vogelart) fliegt knapp über nassen Sand
Austernfischer im Vogelreservat von Balranald – Foto: Andreas Neumeier

Lewis and Harris – Tweed und die „falschen Männer“

Die Doppelinsel „Lewis and Harris“ ist die größte Insel der Äußeren Hebriden und mit etwa 20.000 Einwohnern auch die am dichtesten besiedelte. Im Gegensatz zur südlichen Schwester(halb)insel Harris ist Lewis geprägt von flachen Torfmoorlandschaften. Das Leben für die Insulaner war hier noch nie ein Zuckerschlecken. Neben dem Fischfang bietet vor allem die Herstellung von hochqualitativen Tweedstoffen ein Einkommen. Seit etwa Gwyneth Paltrow und Madonna eigene Tweed-Kollektionen präsentieren, boomt der edle Stoff rund um den Globus. In der alten Schule von Drinishader informiert eine kleine, moderne Ausstellung über die Kinderstube des Tweed. Die Westküste von South Harris bietet einige der schönsten schottischen Dünenstrände. Der Standing Stone Clach Mhic Leoid, ein Monolith auf einer Landnase zwischen den Traumstränden von Seilebost und Horgabost, reckt sich vor dem Hintergrund der bis zu 400 m hohen Bergkuppen über dem tiefblau-türkisen Meer aus der Landschaft.

Grüne Hügel, weißer Sandstrand und türkises Meer - ein Traumstrand
Luskentyre Beach, einer von vielen Traumstränden auf Harris – Foto: Andreas Neumeier

Mystisches Ambiente gibt es auch auf Lewis: Die „falschen Männer“, wie die 54 Monolithe des faszinierenden Kultplatzes Callanish Standing Stones von den Menschen der Jungsteinzeit ehrfürchtig genannt wurden, ragen in Form eines riesigen keltischen Kreuzes aus dem Wiesengrund. Die vor über 5000 Jahren aus 1500 Mio. Jahre altem Gneis errichtete Kultstätte von Callanish ist damit wesentlich älter als die Anlage von Stonehenge in Südengland. Der 2000 Jahre alte Verteidigungsturm Dun Carloway Broch nur wenige Kilometer weiter südlich, der einst gegen die häufigen Überfälle von Wikingern entlang der Küste der Hebrideninseln errichtet wurde, kann bequem nach einem fünfminütigen Spaziergang besichtigt werden.

Die mystischen Standing Stones of Callanish, im Hintergrund geht die Sonne unter
Die mystischen Standing Stones of Callanish – Foto: Andreas Neumeier

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