Michael Bussmann und Gabriele Tröger haben sich auf ihrer letzten Recherchereise für den Südböhmen-Reiseführer ein dunkles Kapitel tschechischer Geschichte vorgenommen und die 2024 eröffnete Gedenkstätte Lety besucht – ein ehemaliges Konzentrationslager für Sinti und Roma. Von den Hintergründen und ihren Eindrücken berichten sie hier.
Südböhmen, das sind dunkle Wälder, plätschernde Flüsse, von Hügeln grüßende Burgen, malerische Städte und Dörfer wie aus den Brüder-Grimm-Märchen. Von den Schönheiten Südböhmens erzählen wir Ihnen heute allerdings nicht, stattdessen führt unser Ausflug an einen erschütternden Ort fernab der böhmischen Reiseführer-Romantik. Es geht zur Gedenkstätte Lety (Památník Lety), die nur etwa fünf Kilometer westlich des beliebten Orlík-Stausees liegt. Sie wurde 2024 eröffnet, wir waren kurz nach der Einweihung da.
Lety ist ein traurig stimmender Ort mit trauriger Geschichte. Auf dem Areal der Gedenkstätte befand sich von 1940 bis 1945 ein eigens für Sinti und Roma errichtetes Konzentrationslager. 1300 Menschen waren darin interniert. Mindestens 500 deportierte man nach Auschwitz, über 300 starben im Lager, die meisten davon waren Kinder. Lety war das einzige KZ im „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“, das ausschließlich von Tschechen betrieben wurde.
Darüber spricht in Tschechien nicht jeder gern. Tomio Okamura, Gründer der Rechtsaußenpartei Freiheit und direkte Demokratie (SPD), leugnet gar die Existenz des Konzentrationslagers Lety. Und von Andrej Babiš, dem schwerreichen Politiker und Ex-Ministerpräsidenten, war schon zu hören: „Was diese Dummköpfe in den Zeitungen schreiben, dass das Lager in Lety ein Konzentrationslager war, ist eine Lüge. Es war ein Arbeitslager. Wenn man nicht arbeitete, landete man dort.“
Zu kommunistischer Zeit und noch bis 2018 befand sich auf dem Areal des ehemaligen Konzentrationslagers ein stinkender Schweinemastbetrieb. Ein Gedenken in Würde war nicht möglich. Die Mastanlage war ein Symbol der Missachtung der eigenen Geschichte, stand für den mangelnden Respekt vor dem Leid der hier Internierten. Der Schließung des Betriebs waren jahrzehntelange Proteste von Roma-Verbänden vorangegangen. Die heutige Gedenkstätte gehört zum Museum der Roma-Kultur im mährischen Brünn. Der Besuch der Gedenkstätte ist ein trauriges Muss im Südböhmen-Sightseeingprogramm.
Die Dauerausstellung im Besucherzentrum lässt Zeitzeugen zu Wort kommen, die die Geschichte des Lagers aus der Sicht der Häftlinge erzählen. Ihre Berichte sind ergreifend. Zudem werden persönliche Gegenstände der Gefangenen präsentiert, die bei Ausgrabungsarbeiten zutage kamen: Tassen, Töpfe, Schmuck, Haarkämme.
Im Außenbereich blieben zwei Torsi ehemaliger Schweinemastställe als eine Art Memento erhalten. Ein Gedenkstein-Arrangement markiert die Stelle eines einstigen Massengrabs. Nahebei befindet sich ein rekonstruierter Lagerschlafraum. Herzstück der Gedenkstätte ist jedoch der „Kreis der Ehrfurcht“, der das einstige Lager symbolisch einkreist. Dort liest man die Namen aller bekannten Insassen des Lagers, 1294 an der Zahl. Mit angegeben sind Geburts- und Sterbeort. Die Geburtsorte unterscheiden sich, der Sterbeort ist oft der gleiche: Auschwitz.
Besichtigung: Die Gedenkstätte Lety befindet sich nahe dem Dorf Lety u Písku. Die Außenbereiche sind stets zugänglich und kostenlos, das Besucherzentrum nur April bis Oktober Do–So von 10 bis 17 Uhr, sonst nach telefonischer Voranmeldung (Telefonnr.: 778483310). Eintritt 4 €, erm. die Hälfte. Weitere Infos auf letypamatnik.cz.