Abseits der Routen

Teil 46: Südböhmen
Památník Lety: Das einstige Konzentrationslager für Sinti und Roma ist nun Gedenkstätte

Michael Bussmann und Gabriele Tröger haben sich auf ihrer letzten Recherchereise für den Südböhmen-Reiseführer ein dunkles Kapitel tschechischer Geschichte vorgenommen und die 2024 eröffnete Gedenkstätte Lety besucht – ein ehemaliges Konzentrationslager für Sinti und Roma. Von den Hintergründen und ihren Eindrücken berichten sie hier.

Ein Gelände aus der Vogelperspektive fotografiert. Rechts befindet sich ein weißer Kreis, davon gehen drei Wege ab, die zu einem kleinen, länglichen Gebäude führen. Am Rand befindet sich Wald.
Der "Kreis der Ehrfurcht" kreist das ehemalige Lager symbolisch ein - Foto: Vladimír Kiva Novotný, Museum der Roma-Kultur

Südböhmen, das sind dunkle Wälder, plätschernde Flüsse, von Hügeln grüßende Burgen, malerische Städte und Dörfer wie aus den Brüder-Grimm-Märchen. Von den Schönheiten Südböhmens erzählen wir Ihnen heute allerdings nicht, stattdessen führt unser Ausflug an einen erschütternden Ort fernab der böhmischen Reiseführer-Romantik. Es geht zur Gedenkstätte Lety (Památník Lety), die nur etwa fünf Kilometer westlich des beliebten Orlík-Stausees liegt. Sie wurde 2024 eröffnet, wir waren kurz nach der Einweihung da.

Lety ist ein traurig stimmender Ort mit trauriger Geschichte. Auf dem Areal der Gedenkstätte befand sich von 1940 bis 1945 ein eigens für Sinti und Roma errichtetes Konzentrationslager. 1300 Menschen waren darin interniert. Min­destens 500 deportierte man nach Auschwitz, über 300 star­ben im Lager, die meisten davon waren Kinder. Lety war das einzige KZ im „Reichspro­tek­to­rat Böh­men und Mähren“, das ausschließlich von Tschechen be­trie­ben wurde.

Ein schmaler, weißer Pfad macht eine Kurve durch grüne Landschaft.
Entlang des Pfads der Erinnerung gemahnt ein nachgestellter Folterpfahl an die Leiden im Konzentrationslager - Foto: Vladimír Kiva Novotný, Museum der Roma-Kultur

Darüber spricht in Tsche­chien nicht jeder gern. Tomio Okamura, Gründer der Rechtsaußenpartei Freiheit und direkte Demokratie (SPD), leug­net gar die Existenz des Konzentrationslagers Lety. Und von Andrej Babiš, dem schwerreichen Politiker und Ex-Ministerpräsidenten, war schon zu hören: „Was diese Dummköpfe in den Zeitungen schreiben, dass das Lager in Lety ein Konzentrationslager war, ist eine Lüge. Es war ein Arbeitslager. Wenn man nicht arbeitete, landete man dort.“

Das Bild zeigt einen Raum innerhalb eines Museums. Auf den Wänden befindet sich ein Zeitstrahl mit Beschreibungen und Fotos.
Vom Konzentrationslager zur Gedenkstätte: Timeline im Besucherzentrum - Foto: Vladimír Kiva Novotný, Museum der Roma-Kultur

Zu kommunistischer Zeit und noch bis 2018 befand sich auf dem Areal des ehemaligen Konzentrationslagers ein stinkender Schweinemastbetrieb. Ein Gedenken in Würde war nicht möglich. Die Mastanlage war ein Symbol der Missachtung der eigenen Geschichte, stand für den mangelnden Respekt vor dem Leid der hier Internierten. Der Schließung des Betriebs waren jahrzehntelange Proteste von Roma-Verbänden vorangegangen. Die heutige Gedenkstätte gehört zum Museum der Roma-Kultur im mährischen Brünn. Der Besuch der Gedenkstätte ist ein trauriges Muss im Südböhmen-Sightseeingprogramm.

Die Dauerausstellung im Besucherzentrum lässt Zeitzeugen zu Wort kommen, die die Geschichte des Lagers aus der Sicht der Häftlinge erzählen. Ihre Berichte sind ergreifend. Zudem werden persönliche Gegenstände der Gefangenen präsentiert, die bei Ausgrabungsarbeiten zutage kamen: Tassen, Töpfe, Schmuck, Haarkämme.

Das Bild wurde in einem Museum aufgenommen, es werden Bilder an Wände und Symbole auf den Boden projiziert.
In der Dauerausstellung im Besucherzentrum kommen ehemalige Häftlinge zu Wort - Foto: Vladimír Kiva Novotný, Museum der Roma-Kultur

Im Außenbereich blieben zwei Torsi ehemaliger Schweinemastställe als eine Art Memento erhalten. Ein Gedenkstein-Arrangement markiert die Stelle eines einstigen Massengrabs. Nahebei befindet sich ein rekonstruierter Lagerschlafraum. Herzstück der Gedenkstätte ist jedoch der „Kreis der Ehrfurcht“, der das einstige Lager symbolisch einkreist. Dort liest man die Namen aller bekannten Insassen des Lagers, 1294 an der Zahl. Mit angegeben sind Geburts- und Sterbeort. Die Geburtsorte unterscheiden sich, der Sterbeort ist oft der gleiche: Auschwitz.

Im Vordergrund ist Wiese, im Hintergrund Wald und Himmel. Im Zentrum des Bildes steht ein verfallenes Hallengebäude.
Die Torsi zweier ehemaliger Schweinemasthallen blieben bewusst als Mahnmal erhalten - Foto: Gabriele Tröger

Besichtigung: Die Gedenkstätte Lety befindet sich nahe dem Dorf Lety u Písku. Die Außenbereiche sind stets zugänglich und kostenlos, das Besucherzentrum nur April bis Oktober Do–So von 10 bis 17 Uhr, sonst nach telefonischer Voranmeldung (Telefonnr.: 778483310). Eintritt 4 €, erm. die Hälfte. Weitere Infos auf letypamatnik.cz.

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