Der Toskana-Reiseführer vom Chef höchstpersönlich ist einer der „ewigen“ Bestseller im Michael Müller Verlag. Nun kam ein ganz neues Buch zum „goldenen Dreieck der Toskana“ heraus: zu Valdarno, Casentino und Florenz. Recherchiert und geschrieben hat es Barbara de Mars, die seit über zwanzig Jahren in Italien lebt und arbeitet. Ihr Ansatz hat uns sofort überzeugt – er passt perfekt zu unseren Reiseführern: „Wir entgehen den Massen und widmen uns den Nebenstraßen, den Hintergründen und dem Warum.“ Darum geht es auch in ihrer Top Ten zur anderen Toskana.
Das „goldene Dreieck der Toskana“, wie das Valdarno aufgrund
seiner günstigen Lage auch genannt wird, liegt strategisch günstig. Von hier
erreicht man in weniger als 1 Stunde die großen toskanischen Kunststädte
Florenz, Siena und Arezzo.
Oder ist Ihnen eine mittelalterliche, verwunschene Welt mit „ewigen“
Wäldern, christlicher Mystik und verzauberten Ruinen lieber? Dann sind Sie im
Casentino richtig. Die zwei Täler Casentino und Valdarno umarmen den knapp 1.600
Meter hohen Pratomagno-Berg. Man kann diese noch wenig beschriebene Ecke der
Toskana auch zu Fuß in zwölf Begehungen erschließen: mit einfachen Spaziergängen
samt Einkehrschlenker in Weingütern bis hin zu tagesfüllenden Wandertouren.
In Florenz weichen wir ebenfalls den Touristenströmen aus und
entdecken alte Erzählungen neu.
Heilige wie Romuald und Franziskus bestiegen ihn, Mönche
bewirtschafteten seine Wälder, die das Holz für den Bau der Palazzi in Florenz
lieferten. Eine knappe Autostunde von der toskanischen Hauptstadt entfernt,
wartet der 1.592 Meter hohe Berg wie eine Insel darauf, entdeckt zu werden.
Früher machten die italienischen Könige an seinen Hängen in Saltino Urlaub, und
britische Literaten besangen ihn, zum Beispiel John Milton im „Verlorenen
Paradies“.
Goethe hatte auf seiner „Italienischen Reise“ bekanntlich anderes
vor und ließ den Berg links liegen, fand aber dennoch lobende Worte für das
Valdarno: „Reiner kann man kein Feld sehen, nirgends auch nur eine Erdscholle,
alles klar wie gesiebt. Der Weizen gedeiht hier recht schön, und er scheint
hier alle seiner Natur gemäßen Bedingungen zu finden“, notierte er am 25.
Oktober 1786.
Heute entdecken Ausflügler zu Fuß oder mit dem Mountainbike das
Paradies samt seinen malerischen Bergdörfern neu.
Das Valdarno zwischen Arezzo und Florenz war vor Jahrmillionen ein
See. Als die Wasser wichen, blieben Sedimente aus Fels, Sand und Steinen zurück,
die im ganzen Tal bis zu 100 Meter hoch aufragen und von den Einheimischen nur
Balze (Erhebungen) genannt werden. Auch Leonardo da Vinci war begeistert. Es
heißt, er habe sich von ihnen für den Hintergrund der „Mona Lisa“ und der „Felsgrotten-Madonna“
inspirieren lassen. Im „Codex Leicester“ schreibt er: „… zu Füßen des Pratomagno
sieht man sie, wo die Flüsse sie nicht ausgewaschen und abgezehrt haben; und in
diesem Terrain sieht man die tiefen Spuren der Flüsse, die dort verliefen und
vom großen Berg Pratomagno herunterstürzten.“ Es lohnt sich, in diesen
Flussspuren zu wandern und die panoramaträchtigsten Orte zu finden (im
Reiseführer verrate ich, wo sie sind)!
Für Kinder bieten die Balze eine zusätzliche Attraktion, denn hier
werden immer wieder Fossilien von Riesenelefanten, Zebras oder Säbelzahntigern
gefunden. Also gut umschauen! Zuletzt wurden 2015 gut erhaltene Teile eines
Riesenelefanten entdeckt. Heute kann man die Fundstücke im Paläontologischen
Museum von Montevarchi besichtigen.
Eigentlich sollte die alte Pilgerstraße nicht „7 Brücken“, sondern
besser „70 Kurven“ heißen. Auf cirka 500 Höhenmetern schlängelt sie sich von
Cascia bei Reggello den Pratomagno entlang bis vor die Tore von Arezzo. Die
Aussicht hinunter ins Arno-Tal bis zu den Hügeln des Chianti ist grandios.
Beliebt ist die Kurvenreiche auch bei Bikern und Straßenradfahrern (Adresse zur
E-Bike-Miete im Buch).
Empfehlenswert sind zwanglose Unterbrechungen nach Lust, Laune und
eigenen Interessen. Kulturliebhaber können sich am Erstlingswerk des Malers
Masaccio im gleichnamigen Museum in Cascia erfreuen – oder an den vielen
romanischen Pfarrkirchen. Die vielleicht schönste findet sich in Gropina bei
Loro Ciuffenna. Letzteres ist ein besonderes Kleinod unter den malerischen
Dörfern am Wegrand und einer der „Schönsten Weiler Italiens“.
Apropos, immer wieder begegnet man auch Fattorie und Weingütern,
in denen man lokalen Chianti-Wein verkosten kann – das Arno-Tal ist eines von
vier schon 1716 durch Cosimo III. so bezeichneten, verbrieften Anbauregionen. Passen
Sie lediglich auf, dass es nach der Verkostung nicht 700 Kurven werden!
Als die Florentiner am 11. Juni 1289 die kaisertreuen
ghibellinischen Truppen in der Ebene von Campaldino bei Poppi im Casentino-Tal
besiegten, besiegelten sie damit zugleich das Schicksal dieses wunderschönen
Tals. Es wurde von der Entwicklung abgehängt und schlummert bis heute in einer
Naturoase von fast 40.000 Hektar Wald vor sich hin. Zu entdecken gibt es zum
Teil gut erhaltene Feudalburgen wie die der Grafen Guidi von Poppi. Auch
charmante Burgruinen kann man ansteuern. Eine davon befindet sich in Romena,
Dante Alighieri besang sie in seiner „Göttlichen Komödie“.
Die nahe beieinander liegenden Städtchen des Tals wie Pratovecchio
und Stia sind besonders schön und halten gleichzeitig viele Überraschungen bereit,
nicht zuletzt kulinarischer Art. Das „Tortello alla lastra“ (Teigtasche auf der
Platte zubereitet) ist sehr empfehlenswert! Auch die Aktivitäten sind ideal zum
Entschleunigen: Wandern, Mountainbike-Fahren, Eselreiten, Baden im Fluss Arno …
Im Sommer gibt es regelmäßige Veranstaltungen wie das übers Tal
verstreute „Pianofestival“ mit stimmungsvollen Konzerten im Freien vor
prächtigen Kulissen.
Essen in der Toskana ist einfach gut. Will heißen: in erster Linie
mit einfachen und lokalen Zutaten, aber trotzdem mit Gusto zubereitet. Markenzeichen
der hiesigen Küche sind Brotsuppen wie die Minestra di Pane oder Pappa al
Pomodoro und Eintöpfe (Ribollita). Nichts wird weggeworfen, sondern alles
verarbeitet! Kutteln (trippa) sollte man genauso probiert haben wie das
berühmte Florentiner Steak (bistecca fiorentina).
Dass das toskanische Brot ungesalzen ist, wird mit verschiedenen
Legenden erklärt: entweder, weil die Beilagen wie Schinken, Salami und Käse
sowieso würzig sind oder aber, um den Pisanern eins auszuwischen, weil letztere
eine Salzsteuer einführen wollten. So haben selbst die Speisen stets eine
Geschichte. Und natürlich entsteht wie immer in der Toskana auch ums Essen ein
Wettbewerb. In San Giovanni Valdarno findet zur Karnevalszeit einer um das
beste Stufato statt, ein scharf gewürztes Gulasch, für das jede Familie ihr
ganz spezielles Rezept eifersüchtig hütet und an die nächste Generation
weitergibt.
Jedes Tal und jeder Ort hat seine kulinarischen Eigenheiten. Neben
dem Olivenöl, das hier auf der Zunge bitzelt (weil die Oliven möglichst früh
geerntet werden, wenn sie noch ganz grün sind), werden auch die lokalen Weine
des Valdarno – wie Il Borro, Petrolo oder Caberlot – zunehmend bekannter.
Zwölf Wanderungen, mal kurz und einfach, mal ausgedehnt und
anspruchsvoller, führen vom Tal über eine hügelige Landschaft bis auf den Gipfel
des Pratomagno-Berges. Sind Sie ein Fan von atemberaubenden Panoramen? Oder
lieber archäologischen Grabungen auf der Spur? Ist Ihnen der Einkehrschwung auf
einem Weingut wichtig? Oder die innere Einkehr im tiefen Wald? Suchen Sie
Abenteuer und Spaß für die ganze Familie? Oder möchten Sie lieber in Stille die
Landschaft kontemplieren?
Zwischen
Casentino und Valdarno gibt es für jeden Geschmack die passende Wanderung. Einige
Touren sind auch gut mit dem Mountainbike machbar. Sie können sich von erfahrenen
und zertifizierten Wanderführern leiten lassen – und wenn Sie keinen Wert auf
Gespräche legen, dann lassen Sie sich einfach
von Martas Esel führen …
Seit dem Mittelalter ist Florenz bekannt für die Verarbeitung von
Tuch und den Handel mit edlen Stoffen. Die Familie der Medici hatte sogar für
eine gewisse Zeit das europäische Monopol auf Alaun inne, ein Salz, das man zur
Behandlung von Tuchen und Leder benötigte. Mode war also seit Jahrhunderten ein
Thema, und etliche Modehäuser wie Gucci, Pucci und Roberto Cavalli wurden in
Florenz geboren.
Auch das Umland der toskanischen Hauptstadt ist trotz
Globalisierung bis heute in der Modebranche aktiv. Das weltweite Hauptquartier
von Prada befindet sich ebenfalls im Valdarno. Und wussten Sie, dass das Outlet
The Mall in Leccio bei Reggello mit 3 Millionen Touristen jährlich mehr
Besucher aufweist als die Uffizien?
Doch auch das Casentino-Tal bietet ungeahnte Schätze in Sachen
Mode, wie den groben und sehr farbenfrohen „Casentiner Loden“ (meist ein
knalliges Orange), den bereits Audrey Hepburn in „Frühstück bei Tiffany“ trug. Er
ist heute nach einer wirtschaftlichen Flaute durch Gucci wieder en vogue. Daneben
sind in den Tälern noch andere Handwerke präsent – von der Schmiedekunst im
Casentino bis zur Verarbeitung der knolligen Wurzel der Irisblume zur Parfüm-
und Cremeherstellung. Obgleich die Düfte der Schwertlilie nur noch selten für
die Parfümherstellung benötigt werden, erblühen ab Ostern bis Mai im Valdarno eine
wunderschöne Farbpalette an Iris-Feldern.
Im Valdarno ist Musik drin. Vor allem im Sommer kann man fast
jeden Abend ein – oft kostenloses – Konzert auf den Piazze oder in romanischen
Kirchen und privaten Villen erleben. Nicht selten gibt es dazu Verkostungen
lokaler Produkte und Weine.
Dass die Qualität hervorragend sein kann, stellt seit fast 30
Jahren das „Streichquartett-Festival“ von Gropina unter Beweis.
Weltklassemusiker spielen an vier Terminen im Juli und August in der
romanischen Pfarrkirche bei Loro Ciuffenna und schenken stimmungsvolle Stunden.
Und auch die leichtere Muse küsst im Tal: das Festival „Valdarno Jazz“ ist
überregional bekannt.
Der Casentino steht ebenfalls für besondere Sommerkonzerte. Die an
verschiedenen Orten verteilten Auftritte bei „Naturalmente Pianoforte“ bilden einen
ebenso harmonischen wie genussvollen Einklang von Natur und Musik.
Zwei Gemälde sollte man außerdem ansehen: das erste Werk des
Malers Masaccio im Museo d’Arte Sacra in Cascia bei Reggello zeigt den
allerersten Versuch dessen, was später als „Florentiner Zentralperspektive“ in
ganz Europa Furore machen wird. Der Künstler ebnete der „modernen“ Malerei mit
plastischen und natürlichen Figuren voller Emotionen den Weg. Ein interessantes
Kontrastprogramm findet sich nur wenige Kilometer entfernt im Museo della
Basilica von San Giovanni Valdarno. Der Mönch Beato Angelico, der heute als
Schutzpatron der Kreativen verehrt wird, lebte zeitgleich mit Masaccio und
hinterließ eine bezaubernde, phantasievolle und zarte „Verkündigung“.
Otto der Große war der Erste. Auf dem Weg zu seiner Kaiserkrönung
nach Rom um 960, so erzählt die Legende, befahl er zwei deutschen Mönchen, auf
dem Pratomagno eine Abtei zu errichten. S. Trinita in Alpe wurde in den
folgenden Jahrhunderten zu einem mächtigen Bezugspunkt für die Gegend.
Um die Jahrtausendwende gründete der Hl. Romuald ihr gegenüber auf
dem Bergzug des Apennin das Benediktinerkloster Camaldoli – und der Hl. Walbert
nur wenige Jahre später das Kloster Vallombrosa auf der Florenz zugewandten
Bergseite des Pratomagno. Auch der Hl. Franziskus stand nicht zurück und
errichtete das Kloster La Verna unweit von Camaldoli an dem Ort, wo er 1224 die
Wundmale empfangen haben soll. Dergestalt „umzingelt“, verlor S. Trinita an
Einfluss und wurde schließlich Vallombrosa unterstellt.
Bis heute wohnen Mönche in Camaldoli, Vallombrosa und La Verna. Es
sind Orte inmitten einer bezaubernd machtvollen Natur, ideale Kraftorte für
alle, die entschleunigen möchten. Zu den Resten der geheimnisvollen Abtei S.
Trinita in Alpe führt eine unserer Wanderungen.
Das „Bermudadreieck“ von Florenz liegt zwischen Dom, Palazzo
Vecchio und Ponte Vecchio. Hier drängeln sich tagein, tagaus die Touristen, um
die „Highlights“ der Stadt wie die Kopie des „David“ von Michelangelo vor dem
Palazzo Vecchio zu begaffen.
Wir dagegen entgehen den Massen und widmen uns den Nebenstraßen,
den Hintergründen und dem Warum. Mehrere Spaziergängen handeln von Fragen zu
Macht und Kunst, dabei lernen wir die Orte der Medici-Familie kennen! Außerdem
geht es um einen der einflussreichsten Köpfe der Renaissance, Filippo
Brunelleschi. Er hat nicht nur die Kuppel des Doms errichtet und mit dem
Findelhaus Spedale degli Innocenti das erste Gebäude der Renaissance: Der gelernte
Goldschmied gab auch der damaligen Malerei wichtige Impulse. Mit Experimenten trug
er entscheidend dazu bei, dass sich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts
die Florentiner Zentralperspektive durchsetzte. Dafür widmete Baumeister,
Kunsttheoretiker und Allroundgenie Leon Battista Alberti sein Werk „De Pictura“
(„Über die Malkunst“) ebenjenem Brunelleschi.