Abenteuer erleben

Teil 9: Presswurst auf Wellenfang
Eine Surfstunde vor der Skyline von Tel Aviv

In der Umkleidekabine wünsche ich mir ein wenig, ich hätte diese Stunde nicht gebucht. Ich habe mich in einen knallengen Neoprenanzug gepresst, und leider gibt es einen Spiegel. Presswurst, kommt mir in den Sinn. In diesem Moment klingt Lachen zu mir he­rein, und mein Name wird gerufen. Durchatmen, Bauch einziehen und raus. Mit einem breiten Lächeln trete ich vor den Vorhang. Und dann … sehen alle mehr oder weniger aus wie ich. Avi, der Eigentümer der Surfstation, fragt, ob ich schon einmal gesurft bin. Auf mein Kopfschütteln hin verpasst er mir ein Brett der Größe 8.6. »Damit stehst du«, meint er und klopft mir auf die Schulter.
Über die Straße geht es zum Meer. Im Sand gibt es ein Aufwärmtraining, ein wenig Stretching und Grundlegendes zur Sicherheit im Wasser. Wir sind zu viert in der Tel Aviver Surfstunde: zwei Amerikaner, eine Israelin und ich.

Autorin Sabine Brandes

+ + + STECKBRIEF + + +

WO? Surfstation Russlan St. 14 (Es gibt auch andere Surfschulen am Strand von Tel Aviv) +++ Bus 10/41 Kikar Hashaon/Hachum Goldman +++ U 2 Av mit Linie F +++
WANN? 
Meist in den Morgenstunden +++ surfstation.co.il (Website nur auf Hebräisch). Bei Interesse auf Englisch WhatsApp an Avi Sitbon schicken: +972 54 422 3447 +++
WIE LANGE?
2 Stunden +++
WIE VIEL?
180 NIS +++ Surfbrett und in der kälteren Jahreszeit Neoprenanzug inklusive (Stempelkarte mit fünf Unterrichtseinheiten à 2 Stunden 750 NIS) +++
Wichtig!
Man sollte schwimmen können – und vor der ersten Stunde nur ein leichtes Frühstück zu sich nehmen +++

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Illustration: Mirja Schellbach

Nahöstliche Beach Boys

Avi erklärt, wie wir uns auf das Brett legen müssen, wir üben ein paar Sprünge auf dem Trockenen, und los geht es. Ich klette mir das Brett an der langen Leine an mein Bein, nehme es unter den Arm und laufe hinter Avi ins Wasser. Kein bisschen kalt in der Ganzkörper­pelle. Wir gehen dorthin, wo die Wellen bereits gebrochen sind. Blutige Anfänger eben. Weiter draußen donnern die Wogen für die Könner. »Your turn«, ruft mein Lehrer gegen das Meeresrauschen an. Ich paddle mit den Händen in seine Richtung. Dann stellt er sich hinter mich und bläut mir ein: »Denk dran, dass du erst aufstehst, wenn du den Zug von den Wellen spürst.« Auf den Wellen ritt man in Israel schon in den späten 50er-Jahren. Damals war es nur eine kleine Gruppe von Jungs, die sich die Haare lang wachsen ließen und einen auf nahöstliche Beach Boys machten. Heute ist Surfen so etwas wie ein Nationalsport. An den Stränden von Haifa bis nach Aschkelon gibt es Dutzende Clubs. Und auch in Gaza wird gesurft. Morgens früh, wenn die Gischt spritzt und der Wind noch nicht zu stark ist, sind oft Hunderte von Surferinnen und Surfer im Wasser.  Noch ein paar Miniwellen platschen unter meinem Bauch vorüber, dann schreit Avi plötzlich »go« und gibt mir einen Stoß.

Strand Wellenfangen
Erstmal üben! (Foto: Sabine Brandes)

Ich habe gestanden, ich bin gesurft, ich bin cool

Ich düse bäuchlings über das Wasser und spüre auf einmal tatsächlich den sogenannten »Pull«. Ohne nachzudenken, springe ich mit dem rechten Fuß zwischen meine Hände, die das Brett umklammern. Dann lasse ich los und stehe tatsächlich! Zwar etwas wackelig, aber ich stehe. Leise höre ich Gejohle und Applaus, während ich in Richtung Skyline surfe. Das macht richtig high! Ich denke nicht, sondern genieße. Nach gefühlten zehn Sekunden schwanke ich und lande mit einem Platsch im Meer. Macht nichts. Ich habe gestanden, ich bin gesurft, ich bin cool. Das sagt mir zumindest Avi, als ich mein Surfbrett wieder zurück in die Fluten ziehe und mich zum nächsten Anschubser einreihe. Zwar stehe ich nicht in jedem Durchgang, aber doch vier- oder fünfmal. Ich finde, das ist ein ziemlich guter Schnitt fürs erste Mal auf einem Surfbrett, und bin mächtig stolz auf mich. Kann es sein, dass Wellenreiten süchtig macht? Noch aus der Umkleidekabine frage ich nach der Vorhersage für die nächsten Tage. Als ich rauskomme, zwinkert Avi mir zu. High five!

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Illustration: Mirja Schellbach

Wenn man schon mal hier ist

Nach zwei Stunden im Wasser hat man einen Riesenhunger. Richtig satt macht ein Shakshuka, das klas­sische Pfannenfrühstück aus Eiern und Tomaten. Sehr lecker ist es im netten orientalischen Café Basma in Jaffa (Louis Pasteur St. 5) oberhalb der Altstadt. Wer danach noch Platz im Bauch hat, sollte unbedingt die süße arabische Nachspeise Knafeh aus Käse und gebräunten, nudelartigen Fäden probieren.

Strand Wenn man schon Wellenfangen
Die Stärkung danach. (Foto: Sabine Brandes)

Dies ist eines von 33 Erlebnissen in und um Tel Aviv, die außergewöhnlich sind und abseits der Routen stattfinden, aufgeschrieben von Reisebuchautorin Sabine Brandes. Der Artikel ist erschienen in Tel Aviv – Abenteuer innerhalb der Reihe MM-Abenteuer.

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