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»Labskaus essen nur Touristen.«
5 Fragen an Sebastian Schnoy

Die Hamburger Morgenpost bezeichnete es als »Hamburgs lustigsten Reiseführer«, das »Satirische Handgepäck« von Bestsellerautor Sebastian Schnoy. Im Gegensatz zu unserem alternativen und individuellen Reiseführer zur Hauptstadt Norddeutschlands wird in diesem Buch alles durch die satirische Brille gesehen. Anders gesagt: Wie erleben sich die Hamburger selbst? Was macht die Stadt aus Sicht eines Einheimischen heute aus?


1. Kurz gefragt: Warum braucht es einen satirischen Reiseführer zu Hamburg?

Weil viele Hamburg-Reiseführer gerne Hamburg-Klischees verbreiten. Dann gehen die Menschen in ein Musical, an die Alster und essen im Rathauskeller Labskaus für 18 Euro. Das sei angeblich Hamburger Küche. Ich muss leider sagen: Das ist Quatsch, das isst hier niemand.
Warum? Labskaus war früher ein Notessen auf Schiffen. Wenn die Nahrung in der Kombüse knapp wurde, nahm der Smutje die letzten Konserven und vermischte sie zu einem öden Brei, der vermutlich nur als Delikatesse gilt, wenn man mehrere Wochen auf See war. Nein, heute essen Labskaus nur noch Touristen.


2. Jeder Reiseführer, und ist er noch so komisch verfasst, basiert – auch – auf Recherche. Was haben Sie Neues über Ihre Heimatstadt durch die Arbeit am Buch gelernt?

Ungewöhnliche Perspektiven auf eine bekannte Stadt. Darum geht es in unserer neuen Satire-Serie (Foto: Tom Wald)
Ungewöhnliche Perspektiven auf eine bekannte Stadt. Darum geht es in unserer neuen Satire-Serie (Foto: Tom Wald)

Dass die meisten guten Adressen, die man sich aus guten Gründen gemerkt hat, nicht mehr existieren, wenn man mal wieder hinwill.
Ins Café Keese verirren sich bis heute nurmehr die Leute, die es noch aus der Zeit kennen, als dort eine Band zum Tanz aufspielte und auf jedem Tisch ein Telefon stand, von dem man andere Tische anrufen konnte. Das ist längst Geschichte. Heute trifft man im Keese auf wechselnde Discos, Clubs und eine Event-Gastronomie. Mir geht es genauso, es gibt sicher 100 schöne Orte auf St. Pauli, die dichtgemacht haben. Davon handelt auch ein Kapitel des Buches. Eine Stadt wie Hamburg verändert sich ständig.
Gelernt habe ich auch, dass es mal einen Stadtteil namens Neuhof gab, der komplett verschwunden ist und eine U-Bahnlinie nach Hammerbrook, die im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs für immer verschwand. Wenn man dann die verbliebenen Brückenportale sieht, wird man echt zum Historiker.


3. Sie gelten als »Guido Knopp« des Kabaretts. Nennen Sie uns drei (skurrile) historische Ereignisse in Hamburg, die die Stadt an der Elbe zu dem gemacht haben, was sie ist!

1276 beschlossen die Stadtoberen, Adeligen den Zuzug zu verwehren. Grafen, Fürsten und andere Durchlauchten durften in der Stadt keine Immobilien mehr erwerben. Das war selbstbewusst und sehr bürgerlich-hanseatisch.
Dann die sechs Jahre zwischen 1968 und 1974, als die Stadt die Autobahn sechsspurig im berühmten Elbtunnel unter dem Fluss hindurchführte, aber auch die Köhlbrandbrücke und den Fernsehturm baute. Diese Projekte stehen exemplarisch für den Aufbruch Hamburgs – und für eine Architektur, die inzwischen, nun ja, ein wenig überholt wirkt.
Und schließlich, Punkt Nummer drei, der Gegensatz zu heute, wenn die Einwohner gegen eine Olympiabewerbung stimmen, gegen einen Tunnel nach Dänemark sind und selbst eine lautlose Seilbahn von St. Pauli über die Elbe ablehnen. Hamburg benimmt sich eben immer anders, als man denkt.


4. Sie sind in Billstedt aufgewachsen – und haben ein Kapitel zu diesem Stadtteil in Ihrem Buch geschrieben. Warum sollten sich Reisende während ihres Hamburgbesuchs dort umsehen?

Was am Hamburger Osten wirklich sehenswert ist, ist die Doove Elbe. Man kann sich an ihrer Mündung in Moorfleet Motorboote leihen, Richtung Bergedorf tuckern, baden und Inseln finden, auf denen man sogar ein Lagerfeuer schüren darf. Der perfekte Ausflug für Kinder, wenn man so will, da die Autobahnkreuze und die Industrie allesamt unsichtbar bleiben.


5. Stichwort Elbphilharmonie: Was halten Sie von dieser Ehrfurcht gebietenden Musikkathedrale? Hat es sich gelohnt, so viel Geld dafür hinzublättern?

Wer bitteschön hat vergessen, die Folie von der Elbphilharmonie abzuziehen? Waas, die bleibt so? (Foto: Tom Wald)
Wer bitteschön hat vergessen, die Folie von der Elbphilharmonie abzuziehen? Waas, die bleibt so? (Foto: Tom Wald)

Ich persönlich hätte für die nunmehr 789 Millionen Euro die Straßenbahn wieder eingeführt, die Seilbahn über die Elbe gebaut und den Fernsehturm samt sich drehendem Restaurant wiedereröffnet. Er ist seit vielen Jahren geschlossen, weil die Feuertreppe nicht mehr der Norm entspricht.
Ich habe aber auch nichts gegen einen so spektakulären Bau wie die Elbphilharmonie, wenn er durch Investoren finanziert wird. In einer Zeit, in der viele Vermögende händeringend nach Anlagemöglichkeiten suchen, wäre dies auch ohne Weiteres möglich gewesen.
Worüber ich allerdings immer noch nicht hinwegkomme: Ich frage mich, wann die Handwerker die türkisfarbene Folie von der Elbphilharmonie endlich abziehen. Oder ist das gar keine Folie? Bleibt der Klotz wirklich – türkis! Hilfe!

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