Einen ungewöhnlichen Trip hat unser England- und Frankreich-Autor Ralf Nestmeyer unternommen. Ungewöhnlich deshalb, weil er nach Cornwall reiste, um eine sonnenbeschienene Traumbucht zu finden. Dazu unternahm er Touren mit dem Mietwagen (Linksverkehr!) und zu Fuß, entdeckte eine ehemalige Künstlerkolonie und genoss echtes Südseegefühl – in England. Nur der Sprung ins Wasser musste kreativ gemeistert werden …
Mit einem leicht mitleidigen Unterton begegneten mir meine Freunde, als ich verkündete, für ein paar Tage nach Cornwall fahren zu wollen. Regen, so klärten sie mich auf, hatten wir in der letzten Zeit doch genug. Ob ich meine Entscheidung nicht noch einmal überdenken möchte, schließlich sei nicht nur das Wetter, sondern sicher doch auch das Essen in Saint-Tropez oder Cefalù besser. Als ich noch anmerkte, baden zu wollen, zweifelte man fast meinen Verstand an …
Doch ich ließ mich nicht umstimmen und wurde mit meiner Entscheidung für Cornwall nicht nur mit einer Woche fast purem Sonnenschein belohnt – was zugegebenermaßen recht selten ist –, sondern auch mit echtem Südsee-Flair.
Im Linksverkehr zur Traumbucht
Tief eingeschnittene Buchten und Strände hat Cornwall wahrlich genug zu bieten. Wenn man Cornwalls so ausgefranste wie abwechslungsreiche Küstenlandschaft auf der Landkarte betrachtet, überrascht es nicht, dass sich dieser Verlauf zu stolzen 500 Küstenkilometern addiert – übrigens ist das Meer von keinem Ort Cornwalls mehr als zwanzig Kilometer entfernt. Das Spektrum reicht von versteckten Felsbuchten bis zu schier endlos langgestreckten Sandstränden. Und so machte ich mich von Exeter aus mit dem Leihwagen auf die Suche nach meiner Traumbucht.
Zügig ging es von Devon hinunter in den südwestlichsten Zipfel Englands. Dass man Cornwall erreicht hat, merkt man spätestens dann, wenn die Straßen immer enger und die Hecken dafür dichter und höher werden. Diese country lanes scheinen kaum für Gegenverkehr ausgelegt zu sein; der Linksverkehr wird fast zur Nebensache, da zwei Autos einander nur an den Haltebuchten passieren können. Doch dank der so defensiven wie gelassenen Fahrweise der Engländer ließen sich die Straßen glücklicherweise ohne größere Probleme meistern. Nur wenn ein Lastwagen um die Ecke bog, geriet ich ein wenig ins Schwitzen – schließlich sitzt man nicht alle Tage in einem Auto, dessen Steuer sich auf der ungewohnten rechten Seite befindet.
Exotische Pflanzen in Englands Süden
Schon bei meinem ersten Zwischenstopp faszinierten mich die milden Temperaturen und die abwechslungsreiche Vegetation. Cornwall präsentierte sich als ein verlockender Garten Eden mit Klippenpfaden und so üppig wie zauberhafte Gärten, dazwischen verträumte Küstendörfer wie Port Isaac und Helford. Der Golfstrom ist ein warmer Segen, dem die Region ihr einzigartiges Mikroklima verdankt, in dem sich auch mediterrane Bäume wie Schirmpinien und exotische Pflanzen wohl fühlen. Kein Wunder, dass in Cornwall auch Gartenliebhaber auf ihre Kosten kommen.
Neben dem berühmten Eden Project mit seinen futuristischen Glaswaben und den verwunschenen Lost Gardens of Heligan gibt es zahlreiche Kleinode wie den Tregrehan Garden mit seinen bis zu zehn Meter hohen Rhododendren oder die Trelissick Gardens, bei denen man auf dem Woodland Walk bis hinunter ans Meer gehen kann.
You can’t get lost
»Die schönsten Buchten entdeckt man nur beim Wandern«, Carol, die Wirtin meines B & B, hatte mir eine Tour rund um die Lizard-Halbinsel ans Herz gelegt. Mit dem Hinweis »You can’t get lost« zerstreute sie meine Befürchtungen, ob ich eine Wanderkarte benötige. Und richtig: der South West Coast Path, der an der gesamten cornischen Küste entlangführt, ist hervorragend markiert. Man muss sich einfach nur an der stilisierten Abbildung einer Eichel orientieren.
Am nächsten Morgen parkte ich mitten in dem Weiler Lizard, nach dem der südlichste Punkt Englands benannt ist. Ein paar Cafés, Restaurants und die üblichen Souvenirshops weisen den Weg zur Küste, wo am Lizard Point eindeutig zu viel Trubel herrscht, aber sobald man ein Stück weiter in Richtung Westen wandert, wird es schnell einsamer. Der Weg schlängelt sich zumeist oberhalb der Klippen entlang der Küste, Ruhebänke laden zum Verweilen ein. Lohnend ist ein Abstecher hinunter an den breiten Pentreath Beach, eine steinige Bucht, die sich bei Ebbe in einen über hundert Meter breiten Sandstrand verwandelt. Noch schöner ist Kynance Cove, die nächste Badebucht, die nach kurzer Zeit erreicht ist. Von hohen Klippen eingerahmt lässt sich hier ein windgeschütztes Sonnenbad nehmen. Und ein einladendes kleines Café, in dem man sich einen leckeren Cream Tea gönnen kann, gibt es auch. Die Engländer bauen übrigens keine Strandburgen, dafür grillen sie gerne am Strand.
Smaragdgrünes Wasser von 15 Grad
Kynance Cove war ein herrlicher Auftakt, doch noch faszinierender sind die Strände im äußersten Südwesten Cornwalls, so beispielsweise bei Porthcurno. Unterhalb des für seine Freilichtaufführungen bekannten Minack Theatre erstrecken sich zwei phantastische Buchten mit perfektem Strandfeeling.
Der ideale Ort, um ein wenig zu verweilen und das Badehandtuch auszubreiten. Der goldgelbe Sand war warm und das glasklare Wasser schillerte im schönsten Smaragdgrün. Das reinste Paradies! Allerdings hatte das Paradies einen kleinen Hacken: Bis zu den Oberschenkeln stand ich im Wasser und wischte mit den Händen ein wenig über die Schaumkronen. Das waren höchstens gefühlte 15 Grad! Bei jeder heranrollenden Welle wich ich unwillkürlich einen Schritt zurück. Noch war meine Badehose trocken geblieben. Unschlüssig stand ich zwei Minuten im Meer herum. Nachdem ich mich mit einem kurzen Blick zurück auf den Strand vergewissert hatte, dass mich niemand beobachtete, drehte ich wieder um. Man muss schließlich wissen, wo seine Grenzen sind und sich notfalls als Weichei outen …
Auf drei Seiten vom Meer umgeben:
Künstlerkolonie und Küstenstädtchen St Ives
»Meine Güte, was für ein Land! Warum verbringen wir überhaupt irgendeinen Teil unseres kurzen Lebens in Sussex, Kent oder London«, schwärmte Virginia Woolf in einem Brief an ihre Freundin Vita Sackville-West, als sie 1936 wieder einmal im Talland House in St Ives ihre Ferien verbrachte.
Nicht nur Virginia Woolf liebte das Leben in Cornwall. Angezogen von den klaren Farben, der eigentümlichen Dramatik des Lichts und der rauen Landschaft, entstand in den 1930er Jahren in St Ives eine regelrechte Künstlerkolonie, weshalb der Ort auch überregional bekannt wurde. Zu den bekanntesten Vertretern gehörten Barbara Hepworth, Roger Hilton, Ben Nicholson, Bernard Leach und Patrick Heron. Um die Bedeutung von St Ives für die britische Kunst zu unterstreichen, eröffnete die Tate Gallery 1993 in Cornwall eine »Filiale«: In den Künstlerateliers nachempfundenen Ausstellungsräumen sind nur Werke von Künstlern ausgestellt, die in der Region gelebt und gearbeitet haben!
Noch heute bietet St Ives die perfekte Verbindung von Landschaft und Kultur. Ein Hafenstädtchen wie aus dem Bilderbuch! Fuchsien blühen vor alten Cottages, natursteingepflasterte Gassen ziehen sich vom Meer den Hügel hinauf, wo man von der Straße The Terrace den besten Blick hat, denn das Städtchen ist auf drei Seiten vom Meer umgeben, das das Licht wie ein überdimensionaler Spiegel reflektiert. Doch keine Sorge: St Ives ist zwar cosy, aber es gibt auch hippe Restaurants und coole Cafés wie das Alba oder das Porthminster Beach Café, in die man direkt mit Strandblick einkehren kann.
Und Strände hat St Ives mehr als genug. Der schönste unter ihnen ist ohne Zweifel die zwei Kilometer östlich gelegene Carbis Bay, doch selbst im Hafenbecken kann man baden und sich bei Ebbe in der Sonne aalen! Am versteckten Porthgwidden Beach tummeln sich die Einheimischen und für die Kunstfreunde muss es der Porthmeor Beach sein, denn hier kann man direkt vor der Tate Gallery am Strand flachsen.
Der Surfshop als Rettung
Am Porthmeor Beach kam mir schließlich die rettende Idee, als ich mit den Füßen im kalten Wasser stand und zwei Jungs mit ihren Surfbrettern vorbeiflitzten. Ich ging in den nächsten Surfshop, und ein paar Minuten später stürzte ich mich mit einem geliehenen Neopren-Anzug in die Fluten!
Weiterführende Informationen:
Primerose Valley Hotel, St Ives, Porthminster Beach, Tel. 0044/01736/794939. Traumhaftes Boutique-Hotel in einer edwardinischen Villa, nur einen Steinwurf weit vom Porthminster Beach entfernt. Die Zimmer sind in einem ansprechenden zeitgenössischen Stil (Retrolampen, Blumentapete etc.) eingerichtet, einige mit Meerblick, zwei mit Balkon. Schöner Frühstücksraum, Biofrühstück, kostenloses WLAN. B & B ab £ 47.50 pro Person im Doppelzimmer, im Winter etwas günstiger. www.primroseonline.co.uk.
Talland Bay Hotel, Talland-by-Looe, Tel. 0044/01503/272667. Ein herrlich verträumtes Landhotel unweit der Küste. Relaxen kann man neben Palmen im subtropischen Garten. B & B £ 85-122.50 pro Person, die teureren Zimmer mit Meerblick www.tallandbayhotel.co.uk.
The Falmouth Townhouse, Falmouth, 3 Grove Place, Tel. 0044/01326/312009. Hinter einer dunkelgrauen Fassade verbirgt sich das wohl modernste und attraktivste Hotel von Falmouth. Eine coole Location mit Mut zum Design! Manche Zimmer, wie das mit der Nr. 4, haben gar eine freistehende Badewanne. Abhängen kann man in der hauseigenen Bar oder auf der Terrasse vor dem Haus. DZ je nach Ausstattung und Saison £ 85-120 (inkl. B & B), EZ ab £ 75. www.falmouthtownhouse.co.uk.
Scarlet Hotel, Mawgan Porth, Tredragon Road, Tel. 0044/01637/861800. Direkt hinter dem Strand gelegen, begeistert dieses von drei Frauen geführte 37-Zimmer-Hotel mit seiner Atmosphäre. Sehr moderne Zimmer in fünf Kategorien, wobei Wert auf ökologische Aspekte gelegt wird. Es gibt einen Pool mit einem Wasserfilter aus Schilfrohr sowie ein Ayurveda-Spa. Gutes Restaurant. B & B ab £ 245 für das DZ. www.scarlethotel.co.uk.
Web-Tipps: