Wenn man eines im Michael Müller Verlag darf: dann Reiseführer abseits des Mainstreams verfassen. Natürlich sind auch bei uns die Touristenrouten verzeichnet. Doch die kleinen, feinen Anekdoten am Rande gehören genauso dazu wie der Blick hinter die Klischeekulissen eines Landstriches und seiner Bewohner. So gilt Rumänien noch immer als exotisch, gefährlich und arm. Diana Stănescu, Autorin des neuen Reiseführers, schaut genauer hin.
»Oh, du schreibst einen Reiseführer über Rumänien? Wie exotisch!« Solche Kommentare sind keine Seltenheit. Exotisch?? Hm, klingt nach kleinem unerforschtem Volksstamm in unbekannter Weltgegend. Dabei ist Rumänien (nach Polen) das zweitgrößte EU-Land in Osteuropa, liegt nur gut zwei Flugstunden von Deutschland entfernt und ist jederzeit mit Billig- oder Linienfliegern zu erreichen. Es hatte einen deutschen König aus dem ganz und gar unexotischen Hause Hohenzollern-Sigmaringen, eine bedeutende deutsche Minderheit, die große Landesteile geprägt hat, gehörte teilweise zu Österreich-Ungarn – und ist heute EU- und Nato-Mitglied. Und doch löst Rumänien im Westen immer noch wilde Assoziationen aus. So jedenfalls meine Erfahrung …
Ist es da denn sicher?
Es ist die erste Frage. Immer wieder. Und in allen möglichen Varianten: »Du traust dich da mit dem Wagen hin??« »Fährst du allein???« oder »Ja, hast Du denn keine Angst???!« Nein, keine Angst. Auch nicht allein. Und ich traue mich – Sensation! – sogar mit dem Wagen hin. Keineswegs von der Autorin erfunden ist auch diese Frage: »Kann man denn dort in den Dörfern einfach so herumspazieren oder ist das gefährlich?« Äh, nein, ist nicht gefährlich. Man könnte vielleicht von einer Kuh überfallen werden. Es könnte auch passieren, dass ein altes Ehepaar, auf seinem Bänkchen vor dem Haus sitzend, den Fremden mit einem brandgefährlichen Buna ziua! (Guten Tag!) attackiert. Aber sonst? Senkt sich der Abend friedlich übers Dorf – und gute Nacht!
Allerhand mag man ihnen vorwerfen, den friedlichen Rumänen. Dass sie zu duldsam seien zum Beispiel, zu passiv. Aber gefährlich? Nein! Nach monatelangen Recherchereisen im Karpatenland lautet meine persönliche Bilanz: null Mal beklaut, null Mal überfallen, null Mal in Gefahr gefühlt, nur einmal von einem Taxifahrer übers Ohr gehauen worden, zweimal meine Kamera liegen lassen (einmal im Museum, einmal im Restaurant) – und das gute Stück beide Male am nächsten Tag unversehrt wiederbekommen.
Auch die Angst ums Auto relativiert sich vor Ort. Bezieht sie sich nur auf Schlaglöcher, ist sie, je nach Region, nicht ganz unbegründet. Bezieht sie sich auf Aufbrüche und Diebstahl, ist diese Sorge ziemlich putzig. Mein Wagen zum Beispiel ist ein stinklangweiliger Toyota. Nach dem kräht in Rumänien kein Hahn. Denn die Dichte teurer schneller Schlitten ist – nicht nur in Bukarest – beachtlich.
Wie reist es sich denn da?
Reisereportagen, die meist nicht ohne das Wort »Zeitreise« auskommen, suggerieren, dass man als Tourist unversehens ins Mittelalter zurückgebeamt wird, sobald man rumänischen Boden betritt. Und so kommt es, dass man auf Bildern zahnlose Dorf-Omis sieht, wirkungsvoll platziert vor einem Schweinestall, Bauern, die mit der Sense auf der Schulter vom Feld heimkehren, und immer wieder Pferdefuhrwerke, die über Dorfstraßen holpern.
Das ist zwar alles nicht erfunden. Aber warum um alles in der Welt geht so gut wie immer unter, dass man, Zeitreise hin oder her, als Tourist im heutigen Rumänien meistens die Wahl hat – und zwar zwischen sehr vielen Optionen: Übernachten im Grand Hotel mit Marmorbad? Im superschicken Boutique-Hotel? In der Landpension mit Klimaanlage und Flatscreen-TV? Oder rustikal beim Bauern mit Kuh im Hof? Essen im guten Restaurant? Oder Selbstverpflegung am Bauernmarkt, im Tante-Emma-Dorfladen oder in einem Mega-Supermarkt? Geld ausgeben in luxuriösen Boutiquen? In den vielen neuen Shopping-Malls? Oder im übriggebliebenen, postkommunistisch-piefigen Textilwarenladen? Und am Abend? Man kann die Stille der Dörfer auf sich wirken lassen (»Zeitreise!«). Man kann sich aber auch in den Städten unter das hippe Partyvolk in Cafés, Clubs und Bars mischen – und feststellen, dass das Karpatenvolk nicht nur aus Trachtenomas und Trainingsanzugsträgern besteht, sondern auch aus eleganten Städtern, gut ausgebildeten Jungunternehmern, coolen Werbeagentur-Mitarbeitern, lässigen Studenten, trendigen Discogängern und, und, und …
An solchen Orten wird man auch bemerken, dass die technikverrückten Rumänen große Fernseher und Mobiltelefone der neuesten Generation lieben, vor allem aber PS-starke West-Autos. Letztere Vorliebe hat Vorteile für Touristen: Es gibt in Rumänien ein gutes Netz aus großen Tankstellen-Ketten und Autowerkstätten. Der Nachteil ist, dass es auf den Bundes- und Landstraßen vor Bleifüßen wimmelt, die mal so richtig zeigen wollen, was ihre Karre hermacht. Als mildernder Umstand sei angeführt, dass es sich bei dieser Fahrer-Spezies im Grunde um Nervenbündel handelt, denen die Lastwagen, Pferdewagen und Baustellen, mit denen sie sich tagein, tagaus herumplagen müssen, gewaltig auf den Keks gehen. Doch sobald sie aus dem Auto steigen, sind die Rumänen wieder die Sanftmut selbst – ganz und gar ungefährlich, ehrlich!