Es ist Montag in Havanna. Einer dieser Nachmittage, die ich so wenig mag. In ein paar Stunden geht mein Flug. Der Zufall wollte es, dass ich immer montags flog - zurück in das Land, das sich meine Heimat nennt. Zurück in die hektische Betriebsamkeit mit den vielen wichtigen Menschen, die alles haben und doch nicht genug bekommen. Noch aber bin ich in Cuba, wo das Leben jeden Tag eine neue Herausforderung darstellt, wo jeder Behördenbesuch zum Bittgang und jeder Einkauf zur Geduldsprobe wird. Und wo es - wie unzivilisiert - kein feuchtes Toilettenpapier gibt, man schon glücklich ist, wenn man überhaupt Wasser hat. Armes Cuba? Armes Deutschland!Wehmut beschleicht mich, als ich so in meiner Stammkneipe, dem Café Paris in der Calle Obispo, sitze - wohl zum letzten Mal für Monate, weil auch die Recherchen zur inzwischen vierten Auflage dieses Reisebuchs abgeschlossen sind. Und weil es damit für mich einmal mehr heißt, Abschied zu nehmen von einem Land, das alle Sinne berührt und das man nur mit der Seele begreifen kann. In den zurückliegenden Jahren war ich x-mal auf "meiner" Insel, habe ich in distinguierten Nobel-Herbergen genauso übernachtet wie - viel lieber - in Casas particulares mit Familienanschluss und in Mietwagen, Überland-Bussen und Privat-Taxen fast 40.000 Kilometer zurückgelegt. Dies bedeutet bei einer West-Ost-Ausdehnung von 1250 Kilometern zwar, das Land mehr als dreißigmal komplett durchstreift zu haben und einigermaßen zu kennen, dies heißt aber nicht, Cuba mit all seinen Widersprüchen und Gegensätzen auch nur halbwegs verstanden zu haben. Dafür braucht man vermutlich ein ganzes Leben.Natürlich könnte ich nach dieser langen Zeit ein Buch schreiben - ein Buch zu diesem Buch über all die schönen, die lustigen, die traurigen und die beängstigenden Erlebnisse. Und über die vielen Begegnungen mit - meist - wunderbaren Menschen. In diesem würden sie dann alle vorkommen: der Frosch in meinem Bett, den ich morgens um 3 Uhr partout nicht küssen wollte, weil ich nicht an Märchen glaube; die Kompanie von "Poncheras", deren Hilfe ich ungezählte Male in Anspruch nehmen musste, weil wieder einmal ein Nagel, eine Schraube, eine Scherbe oder sonst was im Reifen steckte und meinem Gefährt im wahrsten Sinne des Wortes die Luft ausgegangen war; die Tanzlehrerin, der es nicht gelang, mir Salsa beizubringen, was nicht nur daran lag, dass ich dafür eigentlich weder Sinn noch Zeit hatte, sondern auch an dem einen Gelenk, über das jeder Cubaner zusätzlich zu verfügen scheint; und die neugierigen Compañeros vom Innenministerium, die es sich zur Gewohnheit gemacht hatten, mich in abgedunkelten Räumen zu verhören, weil ich als "Periodista", als Journalist also, grundsätzlich verdächtig war, auch wenn mich nur die Öffnungszeiten von Museen interessierten.Es gäbe noch so viele Geschichten. Aber die erzähle ich Ihnen bei einer anderen Gelegenheit. Vielleicht im Café Paris, wenn Sie mögen. Jetzt wissen Sie ja, wo Sie mich finden, wenn ich wieder in der Stadt bin, die mir eine (zweite) Heimat geworden ist. Schauen Sie doch einfach mal vorbei.Bis dahin, hasta entonces.