Wenn ich eine Artischocke auf dem Teller habe, jedes Blatt einzeln wegzupfe und in die Vinaigrette tunke, mit den Zähnen den essbaren Teil herausziehe, mich schließlich mit Messer und Gabel über den Boden der Artischocke hermache, dann vermischt sich der zartbittere Geschmack auf meinem Gaumen mit Bildern von Artischockenfeldern bei Saint-Pol-de-Léon. Wenn ich mit dem richtigen Werkzeug in der Hand gegen eine sperrige Auster kämpfe, so blitzt ein Bild aus Cancale auf: Dort öffnete auf dem Markt ein Austernzüchter mit seinen von der Arbeit zerschnittenen Händen sekundenschnell eine Muschel nach der anderen. Wenn sich bei Sturm die Bäume vor meinem Fenster biegen, kommt mir die windumtoste Pointe du Raz in den Sinn, wo ich kaum Luft kriegte, und der Orkan vor meinem Fenster wird plötzlich harmlos.
Die Erinnerung ist stets auch Vorfreude auf die nächste Reise in diesen erstaunlichen Landstrich, auf neue Entdeckungen, neue Begegnungen und Gespräche. Und auch auf kulinarische Exkursionen. Mit Blick auf Reisende, die für all das keine Zeit haben und die Sehenswürdigkeiten im Schnelldurchlauf abhaken, schreibt der empfindsame Rilke, er würde denen den Vorzug geben, „welche als erste, weit überragende Erinnerung mitbringen: das gute Kotelett, welches sie gegessen haben; denn sie bringen doch wenigstens eine aufrichtige Freude mit, etwas Lebendiges. Eigenes. Intimes.“ Bon voyage!