Barbara Reiter und Michael Wistuba setzen mit ihrem neuen Buch »Budapest MM-City« (1. Auflage 2007) unsere beliebte Städtereihe mit dem 15. City-Guide fort. Für den Juli-Letter hat das Autorenduo dem berühmten Gellért-Bad einen Extra-Besuch abgestattet und beschreibt mit viel Humor sämtliche Fallstricke, bis es endlich vor der Schwimmhalle des historischen Bades steht: ein Badelatschen-Abenteuer mit Anneliese Rothenberger und einer »Anleitung« in der Hauptrolle.
»Bitte lesen Sie gründlich unsere kurze Einführung zur Benutzung der Badeeinrichtungen, die Ihnen helfen soll, das 88-jährige Gellért Bad von seiner besten Seite zu erleben.« Eine Spur militärisch im Ton und etwas sonderlich in der Wortwahl beginnt die »Anleitung zum Gellért-Bad«, ein Blatt Papier, das jedem Gast beim Einchecken im Budapester Gellért-Hotel ausgehändigt wird.
Das Gellért-Hotel und das gleichnamige Thermalbad sind der berühmteste Hotel- und Bäderkomplex der ungarischen Hauptstadt: Ein monumentaler Bau im späten Jugendstil mit mehreren wuchtigen Kuppeln am Ufer der Donau, dort wo die grüne, stählerne Freiheitsbrücke an den Fuß des Gellértberges stößt. Errichtet wurden Hotel und Bad 1911-18, im letzten Jahrzehnt der k.u.k. Monarchie. In der Zwischenkriegszeit stieg hier der internationale Jet-Set ab. Nach Ein- und Umbauten in realsozialistischen Zeiten hat das prunkvolle, 234 Zimmer umfassende Hotel einiges von seinem Glanz eingebüßt, ist aber noch immer unter den Vier-Sterne-Häusern gelistet.
Mit Badelatschen zur Rätselrallye
Das Gellért-Bad, das nördlich an das Hotel anschließt, ist noch berühmter als das Hotel und gilt als schönstes Bad Ungarns. Die Ansichten seiner von doppelten Säulen umstandenen Schwimmhalle mit Galerie und gelbem Glasdach zählen zu den Werbemotiven der ungarischen Hauptstadt. Das Bad gehört aber längst nicht mehr zum Hotel, sondern wird, wie nahezu alle Bäder Budapests, von der Stadt betrieben. Und weil es so berühmt ist, zahlt man für einen 3-stündigen Aufenthalt umgerechnet rund 12 Euro. Besser hat man es da als Gast im Gellért-Hotel, denn als solcher darf man das Bad kostenlos nutzen. Wie man dabei vorzugehen hat, dafür ist die an der Rezeption verteilte »Anleitung zum Gellért Bad« unerlässlich: »In ihrem Zimmer liegt ein weißer Bademantel und eine Duschhaube für Sie bereit. Badelatschen sind empfohlen. Am besten ziehen Sie sich bereits im Hotelzimmer um, und steigen in den Aufzug im Schwimmanzug und Bademantel, damit Sie keine Zeit im Umkleideraum verlieren«.
Dankbar für die exakte Anleitung ahnt man aber schon nach den ersten Zeilen, dass sich die Annäherung an das Bad zeitaufwändig oder möglicherweise gar im Stil einer Rätselrallye gestalten wird.
Die Besonderheiten einer Fahrstuhlfahrt mit Anneliese Rothenberger
Folgsam die entsprechende Kleidung angelegt und mangels »Badelatschen« in seine Straßenschuhe geschlüpft macht man sich auf den Weg. »Vom Hotel ins Bad zu gelangen, begeben Sie sich bitte zum Aufzug im Nordflügel, am Korridor in den Etagen 2, 3 und 4. Folgen Sie den Wegweisern an der Wand.« Also doch: Rätselrallye! Nachdem mit Hilfe des Fluchtplans der nördliche Flügel bestimmt ist, geht es lange Korridore mit hohen weißen Türen und tagheller Krankenhausbeleuchtung entlang, »… und Sie werden den bemannten Aufzug finden«.
Tatsächlich – am Ende eines Ganges wird er entdeckt, ein wunderbar nostalgisches Modell, vermutlich aus den Anfangsjahren des Hotels. Ein kleines Schild fordert auf: »Bitte den Knopf benutzen«. Man drückt und sofort ist klar: der Knopf gehört zu einer Klingel und man hat soeben nicht den Aufzug, sondern die »Fahrstuhlführerin« (von wegen »bemannter Lift«) im Erdgeschoss bemüht, die den Aufzug in Gang setzt. Nach langsamer, krächzender Fahrt öffnet die in einen blütenweißen Arbeitskittel gehüllte Dame, ein Typ Anneliese Rothenberger, die beiden hochglanzlackierten Flügeltüren der Liftkabine und die gläserne Außentüre, um ihre Gäste mit einem huldvollen Wink hereinzubitten. Genauso elegant verschließt sie die Türen wieder. Das Schauspiel wiederholt sich in fast jeder Etage. Der Lift füllt sich nach und nach mit weiß bemäntelten Hotelgästen aus aller Welt.
Der Blick auf den Boden entlarvt dabei den Geschäftsmann in eleganten, schwarzen Lederschnürschuhen, den US-Bürger in den sportlichen Sandalen und den Markenbewussten in roten Sneakers – keine »Badelatschen« weit und breit. »Während der Fahrt mit dem Aufzug erhalten Sie von der Bedienungsdame eine Plastikkarte, mit der Sie beim Eintritt und Fortgehen durch die Kontrolle kommen. Nach dem Verlassen des Aufzugs gehen Sie bitte rechts in die Halle.«
Ein personalintensives Drehkreuz oder Wo bitte geht’s zum Schilift?
Ein allgemeines Wow, denn die Halle, die so plötzlich hinter dem Eck auftaucht, ist die riesige Eingangshalle des Gellért-Bades, prächtig ausgestattet mit Marmorböden und -säulen, Statuen, Glasdächern und einer bunten Glaskuppel. Nach kurzem Staunen findet man sich wieder in einer Schlange vor dem Drehkreuz – Weißmäntel gemischt mit Badewilligen, die von der Straße kommen. »Sie zeigen den Strichkode auf der Karte zum Sensorfenster an der Maschine, und gehen durch die Drehtür.«
Die Rätselrallye geht weiter, doch glücklicherweise stehen stets zwei bis drei ältere Herren in dunklen Anzügen parat, die den Hotelgästen das abgegriffene, einer Schikarte ähnliche Plastikteil mit der vergilbten Aufschrift »Hotel 2004« aus der Hand nehmen, um es zum »Sensorfenster« zu führen und wieder zurückzugeben – ein ziemlich personalintensives Drehkreuz.
»Spazieren Sie durch die Halle. In der Mitte befindet sich das Hallenschwimmbad«. Eine große Glaswand in der Eingangshalle gibt nun erstmals den Blick frei auf die berühmte Schwimmhalle des Gellért-Bades. Doch es fehlen noch gezählte 200 Schritte durch unterirdische, in realsozialistischen Zeiten mit entsprechendem Charme ausgestattete Gänge, Treppen bergab und Treppen bergauf, bis man tatsächlich am Rande des großen Beckens steht.
Eine Aufgabe für die 2. Auflage
Geschafft, die »Anleitung zum Gellért Bad« hat ans Ziel geführt. Erfreut stellt man fest, dass auch die metallenen Informationstafeln hier im Bad mehrsprachig sind: »Wir teilen unseren sehr geehrten Badegästen mit, dass Wellenbad im Wellenbassin und Sprudelbad im Sprudelbassin in den folgenden Zeitpunkten geliefert wird: von 1sten Mai bis 30sten September jeden Uhr von 5 bis 15 nach der Uhr.« Ob die Übersetzer ein von Edmund Stoiber initiiertes Translate-Programm bemüht haben, wird in der 2. Auflage des Budapest-Guides noch geklärt. Jetzt gilt es erst einmal den Weg zu den berühmten Thermalbecken zu finden, was nach erfolgreicher Suche mit einem entspannenden Badetag tatsächlich noch belohnt wird. Niemand sollte sich diese Rätselrallye entgehen lassen – und das meinen wir durchaus ernst!