Wolfgang Ziegler ist ein wahrer Cuba-Spezialist und -Liebhaber. Mehrmals im Jahr reist er in seine zweite Heimat und bringt Geschichten aus dem Land der Havannas mit. So ist er immer auf dem Laufenden, um seinen Cuba-Reiseführer aktuell zu halten. Diesmal beschäftigt sich Ziegler mit den idealen Erntebedingungen des »braunen Goldes«.
Die cubanische Provinz Pinar del Río birgt ein Geheimnis – ein Staatsgeheimnis. Denn wie viele Blätter für die berühmten Habanos im größten Tabakanbaugebiet der Insel gezogen werden, erfährt man nicht einmal hinter vorgehaltener Hand. Bekannt ist lediglich, dass in diesem westlichsten Landesteil rund 80 Prozent der gesamten Tabakernte Cubas eingefahren werden, weil nirgendwo sonst Klima und Bodenbeschaffenheit besser sind für jene Zigarren, die sich Genießer rund um den Erdball gut und gerne bis zu 30 Euro kosten lassen: pro Stück, versteht sich.
Romeo und Julias nikotingeschwängerter »Vater«
Auch Francisco Milián Díaz aus dem kleinen Dorf San Juan y Martínez, unter Zigarrenhändlern und -rauchern besser bekannt als »Pancho Cuba«, nennt Zahlen nur ungern und stellt uns im Gespräch stattdessen eine Rechenaufgabe: »Auf einem meiner Tabakfelder wachsen rund 170.000 Pflanzen, eine Pflanze hat 16 Blätter, für eine Zigarre benötigt man vier bis fünf davon.« Wie viele Felder er bewirtschaftet, verrät er ebenso wenig wie deren Größe. Nur so viel: Insgesamt produziert seine Farm jährlich Tabak für zwei bis drei Millionen Puros, wie die Zigarren auf der Insel genannt werden.
Zu welchen Marken seine Blätter in der Fabrik der Provinzhauptstadt verarbeitet werden, weiß »Pancho« angeblich auch nicht genau – obwohl im ganzen Land bekannt ist, dass der Tabak des mit sechs Hektar größten Anbaubetriebs im Municipio von hervorragender Qualität ist, dass zumeist die feinen »Romeo y Julieta« daraus gedreht werden und dass der 66-Jährige in Cuba deshalb sozusagen als »Vater von Romeo und Julia« gilt.
Mondphasen und Rum als Erntehelfer
Redseliger und konkreter wird der Mann mit dem berühmten Spitznamen, als er nach dem Geheimnis seines Erfolges gefragt wird. Er nehme seine Arbeit sehr genau, sagt er, denn »Tabakanbau ist wie Weinanbau eine Wissenschaft für sich«. 360 verschiedene Arbeitsschritte seien notwendig, bis Tripa (Zigarreneinlage), Capote (Umblatt) und Capa (Deckblatt) in die Fabrik gehen – und alle würden sie von Hand ausgeführt. Vom Setzen bis zur Ernte der dann mannshohen Pflanzen, die in der Regel Ende Oktober beginne, blieben dafür 85 Tage Zeit. 85 Tage, in denen sich »Pancho« streng nach den Mondphasen richtet. Verpflanzt und geschnitten würden die Stauden beispielsweise immer 55 Tage vor bzw. bei abnehmendem Mond. Weil die Pflanzen dann weniger Wasser hätten, erklärt er. Eine genaue Planung sei deshalb unabdingbar. Der routinierte Tabakfarmer macht sie abends in der Stube – »mit einem Kalender, einem Gläschen Rum und einer guten Zigarre«.
»Pancho« bevorzugt übrigens Cohibas, jene cubanische Spitzenmarke, die einst eigens für Fidel Castro kreiert wurde. Zigarren raucht er allerdings nur nach getaner Arbeit, tagsüber greift er lieber zur Zigarette. Beides will er sich auch künftig leisten. Von der weltweiten Finanzkrise spüre er nach eigenem Bekunden jedenfalls nichts. »Ich bekomme immer das gleiche Geld«, sagt er. Allerdings seien zuletzt die Produktionskosten gestiegen, wofür er aber allein die US-amerikanische Wirtschaftsblockade Cubas verantwortlich macht. Seine Bewässerungsanlage habe er beispielsweise in Israel einkaufen müssen, obwohl es ähnliche Systeme auch in Mittelamerika und der Karibik gegeben hätte. Und auch an Ersatzteile für seine Maschinen komme er nur auf Umwegen – wenn überhaupt. Für Cuba selbst sei das Embargo natürlich ein großer Nachteil, ihn selbst treffe es weniger, weil er sehr traditionell produziere, wie schon sein Vater und dessen Vater. Alle seien sie gute Tabakzüchter gewesen, was allerdings auch am Boden liege – für das »braune Gold« gebe es keinen besseren, ist er überzeugt.
Ein Tabakversteher in der »Kulturlandschaft der Menschheit«
Tatsächlich ist der Boden aber nur ein Faktor. Eine Niederschlagsmenge von 165 Zentimeter pro Jahr, durchschnittliche Temperaturen um die 26,5 Grad Celsius, regelmäßig acht Sonnenstunden pro Tag und eine durchschnittliche Luftfeuchtigkeit von 64 Prozent lassen nicht nur jene Pflanzen gedeihen, die zu den unübertroffenen Zigarren gerollt werden. Diese Witterungsbedingungen sind insgesamt dafür verantwortlich, dass Pinar del Río die grünste aller Provinzen ist und als der »Garten Cubas« gilt.
Mittendrin liegt das Tal von Viñales, das 1999 von der UNESCO mit dem Titel »Kulturlandschaft der Menschheit« geadelt wurde. Dort lebt Gerardo González Rico auf einer Finca mitten in sattgrünen Feldern. Auch er verdient sein Geld mit den Puros – wenngleich in bescheidenem Umfang. Er stellt sie einzeln von Hand für jene Touristen her, die bei Yerenia García Álvarez im kleinen Bezirksmuseum von Viñales Tagesausflüge buchen und dabei dem kleinen Hof besuchen. Kein anderer Campesino verstehe mehr von Tabak, sagt die kundige Führerin, kein anderer könne ihren Gästen besser demonstrieren, wie Zigarren gedreht werden. Und außerdem: Nirgendwo sonst gebe es besseren Kaffee. Wie die Tabakblätter wächst auch der direkt vor der Haustüre.
Wissenswertes:
Mehr über Cuba und speziell das Tal von Viñales erfährt man in unserem Reiseführer »Cuba« von Wolfgang Ziegler und auf der Website www.visitcuba.de, der Homepage des Autors.