Endlich ist es soweit! Unser Übersee-Guide »Neuseeland« (1. Auflage) steht stolz im Buchhandel. Wie immer gibt es in unseren Newslettern einige Infos, die über das Buch hinausgehen. Diesmal stehen die französische Entdecker im Mittelpunkt, denn nicht nur der übermächtige James Cook war auf Neuseeland scharf.
»Französische Entdecker in Neuseeland«, fragen Sie mich? Mal nachdenken … der erste Europäer auf diesem Kontinent war ein Holländer, und der erste, der seinen Fuß auf das Land setzte, war ein Engländer. Franzosen? Nachsehen im Großen Larousse, der Enzyklopädie der Franzosen: doch leider, nix über französische Entdecker in Neuseeland. Totale Fehlanzeige! Selbst der Larousse erwähnt nur Tasman und James Cook. Und natürlich die späteren wie d’Entrecasteaux und Dumont d’Urville. Aber Moment, gab es da nicht einen, dem sie in der Doubtless Bay, oben im hohen Northland, eine Plakette gewidmet haben? Surville, oder … so hieß er doch? Wieder hilft das Nachschlagewerk nicht weiter. Da bleibt nur noch der gute alte John Dunmore und sein dicker Schmöker über French Explorers in the Pacific (Ron Coleman, den ich in Brisbane besuchte, um mit ihm über seine Ausgrabungen in Vanikoro und La Pérouse zu diskutieren, hat mir das Buch nebst Kopien seiner eigenen Arbeiten in die Hand gedrückt). Und auch das Internet gibt was her, denn unter den Namen, die in der staatlichen neuseeländischen Seite Te Ara Encyclopedia of New Zealand (www.teara.govt.nz) beim Stichwort »French explorers« auftauchen, steht es oben ganz eindeutig: de Surville.
Zwei Entdecker auf ungewollter Verfolgungsfahrt
De Surville also. Jean François Marie de Surville (1717-1770) lese ich, Marineoffizier, nach dem Siebenjährigen Krieg ab 1767 mit der St. Jean Baptiste im Pazifik unterwegs, um sein Vermögen zu machen. Über die Salomonen geht es nach Süden, am 12. Dezember 1769 um 11.30 Uhr wird nach langer Fahrt, ohne irgendwelche Inseln zu finden, endlich wieder Land gesichtet. Wir kennen dieses Land als einen Teil Neuseelands, den Landstrich südlich Hokianga Harbour in Northland.
Zur gleichen Zeit ist auf der Ostseite von Northland ein anderes europäisches Schiff unterwegs. Kommandant ist Captain James Cook, die Mannschaft hat etwa zwei Monate zuvor, exakt am 6. Oktober, ebenfalls Land gesichtet: Young Nicks Head in der Poverty Bay, beide Namen gab Cook. Am 12. Dezember ist die Endeavour zwischen der Bay of Islands und der (ebenfalls von Cook so benannten) Doubtless Bay unterwegs. Kurs Nord.
Am 13. Dezember passiert de Survilles St. Jean Baptiste die Nordspitze der Nordinsel Neuseelands am Kap Maria van Diemen; Neuseelands europäischer Erstentdecker Abel Tasman gab ihm diesen Namen. Das Wetter ist hundsmiserabel. Die Endeavour hält ebenfalls noch immer Kurs Nord. Am 17.12.1769 ankert die St. Jean Baptiste in der Doubtless Bay, die de Surville »La Baie de Lauriston« tauft, nicht ahnend, dass ein anderer Europäer dieser Bucht wenige Tage vorher bereits einen Namen vergeben hat (die Bucht war für James Cook, der nicht hineinsegelte, »doubtless a bay«). Das Wetter ist weiterhin saumäßig, Cook kommt kaum gegen den Wind an und wird lange aufgehalten. De Surville muss an ihm vorbeigesegelt sein, die beiden Schiffe sahen einander nicht. Am 01.01.1770 erreicht Cook endlich Kap Maria van Diemen, am Tag vorher hat de Surville Neuseeland verlassen, nachdem er bei miesem Wetter in der Bucht zwei Anker verloren hat und nach dem Kidnapping eines Maori vor der Rache seines Stammes flüchten musste.
Gut, also Franzosen haben fast gleichzeitig mit James Cook Neuseeland wiederentdeckt!
Neue Namensverwirrungen um einen schneebedeckten Vulkan
Aber später waren doch vor Neuseelands Küsten weit und breit nur noch britische Schiffe zu sehen? Oder etwa nicht? Cooks zweite Reise z.B., auf der er 1773 den Dusky Sound besuchte, oder die dritte Reise, wo es 1778 nach Cape Foulweather ging (wieder eine der schönen Namen, die Cook für Neuseelands Küsten aussuchte …)?
Stimmt wieder nicht! Am 25. Dezember 1772 sichtete die Crew der Mascarin unter ihrem Kapitän Marc Josephe Marion du Fresne (1724-1772) Land: den schneebedeckten Vulkan nannten sie »Le Pic Mascarin«. James Cook war zwar schon von seiner ersten Reise zurückgekehrt, aber seine Entdeckungen waren noch nicht allgemein bekannt. So wussten sie nicht, dass der Berg bereits einen Namen hatte: »Mount Egmont«. Die Mascarin und die Marquis de Castries, das zweite Schiff der französischen Expedition, umsegelten nordwärts die Nordinsel und landeten am 10. Mai 1773 auf Motuera Island in der Bay of Islands. Zu diesem Zeitpunkt war James Cook bereits wieder auf seiner zweiten Reise und kurz zuvor im April 1773 im Dusky Sound auf der Südinsel gelandet. Auch in diesem Fall wussten die beiden Expeditionen nichts voneinander. Als die Franzosen vor ihrer Abreise am 12. Juli 1773 auf Motuera Island eine Flasche vergruben, war Cook immer noch an den Küsten der Südinsel unterwegs. In der Flasche war eine offizielle Besitzurkunde. »Hiermit geben wir kund und zu wissen …«, oder so ähnlich, »dass das Königreich Frankreich ab sofort die terre australe als sein Eigentum betrachtet«. Zu spät, die Engländer hatten schon zugegriffen.
Mit einer Verspätung von sechs Tagen
Dennoch kann man es den Franzosen nicht verargen, dass sie 1839/40 nochmals versuchten, Neuseeland in ihren Besitz zu bringen. Pech hatten sie aber auch zu diesem späteren Zeitpunkt: Der Union Jack wehte erstmals am 11. August 1840 in Akaroa auf der Banks-Halbinsel, das war genau sechs Tage vor der Landung von Kapitän Lavaud und seinen französischen und deutschen Siedlern in der Bucht …
Bleibt zu rekapitulieren: Oktober 1769 Briten, Dezember 1769 Franzosen, Dezember 1772 Franzosen, April 1773 Briten. Unter den ersten vier Entdeckungsreisen wurden zwei von Franzosen geleitet. Ehre, wem Ehre gebührt, nicht wahr, und bitte in den Geschichtsbüchern nicht nur Captain James Cook erwähnen!
Verwendete Literatur:
John Dunmore: French Explorers in the Pacific. Oxford 1965.
Encyclopedia of New Zealand. Auckland 1969. Stichwort Discovery and Exploration. Seit 2002 allmählich ersetzt durch die online-Encyclopedia of New Zealand »Te Ara« (siehe unten!).
Alistair Mac Lean: Der Traum vom Südland. München 1988.
Informative Internetadressen: