Reportage

Die 71 Vulkane Neuseelands

Eines der Herbst- und Winterziele der Deutschen (neben den Kanaren und Balearen) ist Neuseeland. Unser akribischer Autor und Rechercheur Dietrich Höllhuber hat einen 840-Seiten-Band über die grüne Doppelinsel geschrieben – und sich für die Dezember-Ausgabe unseres Newsletters die Vulkane von down under genauer angesehen. Das Besondere daran: In einen der aktiven Feuerspeier kann man sogar hineinspazieren.


Seit »Herr der Ringe« wissen wir, dass Neuseeland vulkanischen Bodens ist. Auch wenn der feuerspeiende Berg nicht unbedingt realistisch sein mag – »Mordor« ist halt fiction, nicht fact –, hat es sich doch herumgesprochen: Neuseeland ist nicht nur die grüne Insel der Tourismuswerbung, sondern auch ein geologisch junges Land mit neun aktiven Schwefelgebirgen. Fünf liegen auf der Nordinsel und vier davon auf einer untermeerischen Vulkankette, die sich von der Bucht von Tauranga (Bay of Plenty) nordöstlich bis zum Tonga-Archipel hinzieht. 26 Vulkane hat man auf diesem Kermadec-Bogen gezählt, die meisten weit unter der Meeresoberfläche, wahrscheinlich tot oder schlafend. So genau weiß man das allerdings nicht.

Auckland – gesehen vom erloschenen Krater des Mount Eden (Foto: Dietrich Höllhuber)
Auckland – gesehen vom erloschenen Krater des Mount Eden (Foto: Dietrich Höllhuber)

Was außerdem spannend ist: Auf der Nordinsel gibt es nicht nur die fünf tätigen Feuerspeier – White Island, die Okataina Caldera, Mount Tongariro, Mount Ngauruhoe, Mount Ruapehu –, sondern noch mindestens 37 weitere Vulkane. Dankenswerterweise sind sie schon lange erloschen, so wie das kraterreiche Vulkanfeld, das unmittelbar unter Auckland liegt, Neuseelands größter Stadt. Drei aktive Vulkane sind auch noch auf Neuseelands Antarktisanteil zu finden, darunter der 3.794 m hohe, ständig aktive Mount Erebus. Somit hat man es mit sage und schreibe 71 Feuerbergen zu tun, die auf Neuseelands Hoheitsgebiet liegen. Lediglich auf der Südinsel spielt der Vulkanismus seit sehr langer Zeit keine Rolle mehr.


Der begehbare Vulkan auf White Island

Einfahrt in den Krater von White Island vor der Nordinsel Neuseelands (Foto: Dietrich Höllhuber)
Einfahrt in den Krater von White Island vor der Nordinsel Neuseelands (Foto: Dietrich Höllhuber)

Wohl nirgendwo sonst kann man gefahrlos in einen aktiven Vulkan hineinspazieren: beim Vulkan auf White Island vor der Küste der neuseeländischen Nordinsel ist das Alltag. Täglich landen Boote mit Touristen an, der Führer mahnt zur Vorsicht, dann geht’s zu Fuß in die schwefelgelbe Hölle. Eine Eruption hat irgendwann eine Schneise in den Krater gerissen, der Weg führt hindurch. Schwefelgestank, sprudelndes kochendes Wasser, aus gelb verkrusteten Spalten strömt heiße Luft. Das könnte den Kameras schaden – was niemand davon abhält, Fotos zu machen … Der letzte Ausbruch war Ende 2012, etwas Lava wurde ausgeworfen, bis Februar 2013 war verstärkte vulkanische Tätigkeit mit Ascheauswurf zu beobachten. Dennoch: Boote kommen fast immer an, White Island ist ein ausgesprochen tourismusfreundlicher Vulkan.

Zu Fuß durch die schwefelgelbe Hölle (Foto: Dietrich Höllhuber)
Zu Fuß durch die schwefelgelbe Hölle (Foto: Dietrich Höllhuber)

Die Insel White Island sieht man schon bei der Abfahrt von Whakatane aus, dem nächstgelegenen Ort. Der Inselvulkan ist der südlichste dieser Reihe von vier tätigen und 22 erloschenen, unterseeischen und bis 516 m über den Meeresspiegel ragenden Schwefelbergen. Einer von ihnen brach 2012 aus, der Havre Seamount: Er liegt in einer Tiefe von 1.100 m. Man bemerkte das isolierte Ereignis nur, weil plötzlich der Südpazifik im weiten Umkreis von 20.000 km² von einer Bimssteinschicht bedeckt war. Andere Vulkane dieses zu Neuseeland gehörenden Kermadec-Bogens brachen 2008 (Monowai Seamount) und 2006 aus (Raoul Island).


Der Feuerberg am Trekking-Trail

Taranaki oder Mount Egmont, ein 2.518 m hoher Schichtvulkan (Foto: Dietrich Höllhuber)
Taranaki oder Mount Egmont, ein 2.518 m hoher Schichtvulkan (Foto: Dietrich Höllhuber)

Der jüngste Vulkanausbruch auf Neuseeland traf einen viel besuchten Nationalpark der Nordinsel: Mount Tongariro brach im August und wieder am 21. November 2012 aus. Einer der Krater dieses großen Vulkanmassivs blies plötzlich eine Gas- und Aschewolke 2 km hoch in den Himmel. Dabei blieb es unheimlich ruhig, wie Wanderer berichten, die das Ereignis aus der Nähe beobachten konnten. Gut so, denn in unmittelbarer Entfernung verläuft einer von Neuseelands bekanntesten Tracks: Tongariro Trekking nennt sich die Überquerung des Vulkanmassivs an einem Tag. Etwa fünfzig Wanderer waren an diesem Novembertag auf dem Trekking-Trail unterwegs, er wurde sofort nach der Evakuierung geschlossen – und erst am 8. Mai 2013 in voller Länge wieder eröffnet.
Der Winter bricht im Mai an in Neuseeland, die Pläne für eine Überquerung des Vulkanmassivs sollte man am besten auf September oder Oktober verschieben. Die Ketetahi-Hütte, auf der man so schön rasten konnte, wird aber nicht mehr zu finden sein: Sie wurde im August 2012 durch den ersten Ausbruch zerstört.


Neuseelands Fudschijama

New Plymouth – möglicher Start- und Endpunkt einer Tagestour auf den Taranaki (Foto: Dietrich Höllhuber)
New Plymouth – möglicher Start- und Endpunkt einer Tagestour auf den Taranaki (Foto: Dietrich Höllhuber)

So nahe am tätigen Vulkanismus soll’s auch nicht sein? Aber einen Schichtvulkan, ebenmäßig und schön wie den Fudschijama würden Sie dennoch gerne besteigen? Da ist mein Tipp ein weiterer Neuseeländer: Taranaki (wie die Maori sagen) oder Mount Egmont (wie wir Pakeha ihn nennen) misst 2.518 m, ist einigermaßen leicht zu besteigen, wenngleich die Wanderung selbst durchaus anstrengend werden wird. Von New Plymouth aus kann man die Bergtour als Tagestrip planen. Eine Straße führt auf fast 1.000 m Seehöhe. Der letzte Ausbruch war 1755, das ist eine ganze Weile her … Hinweise auf neuerliche Tätigkeit gibt es nicht. Der Rundblick vom Gipfel ist fantastisch und umfasst das gesamte Massiv des Tongariro – mit seinen drei tätigen Schloten.

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