Ganze Generationen zieht es alljährlich im August ins beschauliche Finkenbach. Ihr Ziel: ein ganz besonderes Festival, das 1976 von der Krautrock-Band Guru Guru ins Leben gerufen wurde und schon Spezialeinheiten der Polizei beschäftigte. Unsere Odenwald-Autorin Stephanie Aurelia Staab hat einen Blick hinter die Kulissen des »deutschen Woodstock« geworfen.
Finkenbach ist ein kleines Dorf der Gemeinde Rothenberg im Herzen des Odenwalds. Hier leben Menschen, die der Landwirtschaft nachgehen oder im nahen Mannheim oder Frankfurt arbeiten. Sie engagieren sich bei der örtlichen Feuerwehr oder spielen im Fußballverein. Tag für Tag geht alles seinen Gang. Bis zum Finkenbach-Festival. Dann bevölkern junge Hippies, in die Jahre gekommene Freaks, freundliche Alt-Rocker, aber auch Normalsterbliche das idyllische Tal.
Keine Coverbands, nur Originale
Das Dorf steht Kopf und die Bewohner wuseln, was das Zeug hält: Man umzäunt das Festival-Gelände auf dem Sportplatz, baut die Bühne auf und lotst die ankommenden Gäste durch den Ort zum Zeltplatz. Alle packen mit an – auch Mani Neumeier. Er ist der Art Director des Open Air Festivals, wie er selbst sagt. Der Chef der Krautrockband Guru Guru trifft die Musikauswahl. Meistens entscheidet er sich für deutsche Rockbands mit jazzigen Anklängen, für Originale wie Kraan, Jane oder Epitaph; Coverbands lehnt er ab. Dazwischen treten auch internationale Musiker auf, beispielsweise aus Japan oder Afrika.
Natürlich steht auch Mani Neumeier mit Guru Guru regelmäßig auf der Bühne. Er und seine Band, die mittlerweile auf rund 3.000 Konzerte und 31 Longplayer zurückblicken, zählen zu den Initiatoren des legendären Odenwälder Musikevents.
Die Kommune in Langenthal
Guru Guru war in den 1970er-Jahren als Kommune in den Odenwald gezogen, um sich ungestört ihrer Kunst widmen zu können. Die Gruppe wohnte zunächst in Langenthal, einem Ort, der zur Gemeinde Hirschhorn gehört. Später zog sie nach Finkenbach. Anders als in dem ZDF-Film »Notwehr«, der Guru Guru 1977 den musikalischen Durchbruch brachte, wurden die Musiker in beiden Dörfern von Anfang an freundlich aufgenommen. 1976 sprach dann der Kommandant der Finkenbacher Feuerwehr die Bandmitglieder an, ob sie nicht auf dem 25-jährigen Jubiläum der örtlichen Brandwache spielen wollten, um sich der Dorfgemeinschaft vorzustellen. Gefragt, getan, und das Festival war geboren.
Spezialeinheiten wegen 12 Gramm Gras
Bereits vier Jahre später, 1980, war das musikalische Happening so bekannt, dass es rund 10.000 Besucher in das kleine Odenwälder Tal lockte. Dieser enorme Andrang ließ die Veranstaltung kollabieren und für einige Jahre pausieren. Erst Ende der 1980er-Jahre nahm man den Festival-Betrieb wieder auf.
Alles verlief lange Zeit friedlich, bis 2003 die Polizeikontrollen verschärft wurden. Dem alternativen Publikum wurde per se Drogenmissbrauch unterstellt. »Das führte dazu, dass Spezialeinheiten sich rund um das Finkenbachtal postierten und die Besucher mit ungewöhnlicher Härte überprüften. Das war völlig unangebracht«, erinnert sich Mani Neumeier. »Alles was sie in drei Tagen fanden, waren 12 Gramm Gras.« Das Martyrium dauerte bis 2006, bis selbst die kommunalen Politiker sich vom Durchgreifen der Polizei empört zeigten und bei der hessischen sowie baden-württembergischen Landesregierung beschwerten.
Ein Festival für Groß und Klein
Seit 2008 hat sich alles wieder normalisiert. »Jetzt kommen jährlich bis zu 2.000 Besucher auf das Finkenbach-Festival«, berichtet der Guru Guru-Orchesterchef. »Sie kommen zum Entspannen, um die Natur zu genießen und dabei gute Musik zu hören.«
Die Wiese entlang des namensgebenden Finkenbachs verwandelt sich dann Stück für Stück in einen Campingplatz. Es geht familiär zu. Manch einer holt schon mal seine eigene Gitarre heraus und spielt ein paar Takte. Viele sind schon seit Jahrzehnten dabei, seit damals, als sie selbst jung waren.
Jetzt fahren sie mit ihren Kindern und Enkeln in den Odenwald, um von Freitagnachmittag bis Samstagnacht das kulturelle Highlight zu erleben. 2013 wird das Festival zum 31. Mal veranstaltet – und seine Geschichte garantiert weitergeschrieben.
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