Reportage

Bernini vs. Borromini:
Durch die Ewige Stadt auf den Spuren zweier Erzfeinde aus dem Barock

Ein Stadtspaziergang von Sabine Becht. Die Autorin (mit Hagen Hemmie) unseres Reisehandbuches »Rom MM-City« (3. Auflage) ist einem ungleichen Kunststreit zwischen den berühmten Baumeistern Bernini und Borromini nachgegangen, der sich in Sabotageakten und einem Selbstmord entlud – und noch heute an zahlreichen Stellen der Metropole zu verfolgen ist.


Früher oder später findet jeder Rom-Besucher den Weg hinauf zum Quirinal, einem der sieben klassischen Hügel Roms und einer der schönsten Aussichtspunkte der Innenstadt. Wer sich aber gleich wieder hinunterstürzt zum, quasi in Wurfweite gelegenen, Trevi-Brunnen mit seinem wahnsinnigen Rummel, verpasst etwas. Denn gleich neben dem Quirinalspalazzo, gegenüber der endlosen Seitenfassade, liegen – dicht beieinander und fast unbeachtet – zwei Meisterwerke der Intimfeinde Gianlorenzo Bernini und Francesco Borromini.
Zunächst stößt man auf das kleine ovale Gotteshaus »Sant‹ Andrea al Quirinale« (1658-1670), die Hofkirche des Quirinalspalastes und Lieblingskirche Berninis, in die er oft zum Beten kam und die er als eines seiner Meisterwerke bezeichnete. Dabei, und das war Bernini wohl bewusst, tat er es hier seinem Erzfeind Borromini gleich, der wenige Meter weiter an der Piazza delle Quattro Fontane schon 20 Jahre zuvor das Kunststück vollbrachte, auf noch kleinerem Raum eine prachtvolle ovale Barockkirche für den Trinitarierorden zu bauen – und das aus religiöser Verbundenheit sogar ohne Honorar. »San Carlo alle Quattro Fontane« (1634-1667), im Volksmund San Carlino (»Sankt Karlchen«) genannt, beeindruckt durch das gelungene Zusammenspiel konvexer und konkaver Wand- und Fassadenelemente, für die Borromini berühmt war.


Ein ungleicher Wettkampf

Nur wenige Schritte sind es von hier hinunter zum Palazzo Barberini, heute hochkarätiges Museum, einst aber Schauplatz der ersten Auseinandersetzung zwischen den beiden Künstlern. Borromini arbeitete hier zunächst unter Carlo Maderno, bekam ab 1629 jedoch den konkurrierenden Bernini als tonangebenden Baumeister vorgesetzt; Borromini hatte er sich damals schon durch seine Arbeiten am Mailänder Dom einen Namen gemacht, wohingegen Bernini zumindest als Architekt ein noch fast unbeschriebenes Blatt war. Dieser bezeichnete ihn als schlichten »Steinmetzgesellen«, so dass Borromini nach drei Jahren schließlich entnervt die Baustelle verließ.
Das Verhältnis zwischen den beiden Ausnahmekünstlern des Barock hätte ohnehin angespannter nicht sein können. Zu ungleich war der Wettkampf zwischen Gianlorenzo Bernini (1598-1680), dem Sohn eines etablierten römischen Bildhauers am päpstlichen Hof, und dem nur ein Jahr jüngeren Francesco Borromini (1599-1667), dem spröden und ehrgeizigen Lombarden aus Mailand, der 1614 zur Dombauhütte der Peterskirche kam. Zeit seines Lebens kämpfte Borromini in Rom um Ansehen, und nicht selten machte ihm sein Widersacher einen Strich durch die Rechnung. Bernini wurde in das beziehungsreiche Künstlerdasein quasi hineingeboren und erregte schon im zarten Kindesalter die Aufmerksamkeit des Papstes, als er auf der Baustelle seines Vaters aushalf. In Kardinal Barberini, der 1623 als Urban VIII. den Papstthron bestieg, fand er einen engen Freund und Mentor, der ihm eine beispiellose Karriere im Rom des Barock ermöglichte – kein anderer Künstler hat das Stadtbild dieser Zeit mehr geprägt als Bernini.
Borromini musste dagegen hart um jedes noch so kleine Projekt kämpfen, konnte sich durch seinen ungewöhnlichen Stil der »bewegten Architektur« aber immer öfter gegen Bernini durchsetzen und bekam bald einige prestigeträchtige Aufträge. Die Konkurrenz der beiden Künstler steigerte sich zur abgrundtiefen Feindschaft, die bis zu nächtlichen Sabotageakten an der gegnerischen Baustelle führten, und auch die Verbreitung rufschädigender Gerüchte war an der Tagesordnung. Nachdem Bernini seinem Gegenspieler durch einen Komplott ein weiteres Mal einen Großauftrag – nämlich die Gestaltung des Vierflüssebrunnens auf der Piazza Navona – vor der Nase wegschnappte, setzte sich bei Borromini langsam die Erkenntnis durch, in Rom niemals die Nummer eins werden zu können. 1667 nahm er sich das Leben. Bernini überlebte seinen Widersacher um 13 Jahre.


Showdown auf der Piazza Navona

Berühmteste Szenerie der Bernini-Borromini-Fehde ist die Piazza Navona im Herz der Altstadt. Angeblich drückten die beiden Künstler hier ganz unverhohlen ihre Meinung über die Leistung des anderen aus. Die bewegten Posen der Figuren auf Berninis Vierflüssebrunnen regen in der Tat zu Interpretationen an: So sollen sich die personifizierten Flüsse Donau und Ganges mit Schrecken von der gegenüberliegenden Kirche Sant’Agnese abwenden, der Rio de la Plata hält mit entsetztem Gesicht die Arme über den Kopf und der Nil hat sich sogar ein Tuch übergezogen, um die entstellte Kirche gegenüber nicht ansehen zu müssen. Man ahnt es schon: Sant’Agnese wurde von Borromini gebaut. Der konterte mit einer überaus arroganten Heiligen Agnes, die auf einem Sockel steht und herablassend auf den hässlichen Brunnen auf dem Platz hinunterblickt.
Nach soviel Neid und Missgunst in der Kunst hilft nur noch ein versöhnliches Gelato. Am besten bei »Tre Salini« gleich neben der Kirche an der Piazza, wo es das beste Tartufo-Eis der Stadt gibt.

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