Odenwald, was bitte gibt es da? Einiges! Denn der Odenwald und die 68 Kilometer lange Bergstraße sind so etwas wie eine weitgehend unentdeckte Schatzkiste der Republik. Lediglich Heidelberg wird von Touristen (teils zu Recht!) überflutet. Andernorts trifft man auf ein grandioses Felsenmeer, ein Hotel der historischen Superlative sowie das längste Bodendenkmal nach der Chinesischen Mauer und erfährt, was »wahnsinnige Schöpferkraft« leisten kann. Stephanie Aurelia Staab, Autorin unseres Odenwald-Reisebuchs, hat eine »Hilfe auch für Einheimische« (Hessischer Rundfunk) – und diese Top Ten – geschrieben.
Bensheim, Heppenheim, Weinheim oder Schriesheim – eigentlich eignen sich alle Städte am Westhang des Odenwalds für eine erste Schnuppertour. Hier geht das Leben eine entspannte Gangart. Es gibt nette Geschäfte zum Shoppen. Das kulturelle Angebot ist groß. Warum also gerade nach Bensheim?
Zum Beispiel weil der Weg zu einigen hochkarätigen Sehenswürdigkeiten kurz ist: In Bensheim-Auerbach gibt es das Fürstenlager, das den früheren Großherzögen von Hessen-Darmstadt und Mitgliedern des Zarenhofes als Sommerresidenz diente. Einen Katzensprung entfernt liegt Schloss Auerbach, das zu den schönsten Ruinen Südhessens zählt. In wenigen Autominuten ist das Weltkulturerbe Kloster Lorsch (kloster-lorsch.de) erreicht.
Bensheim selbst hat eine sehenswerte, historische Altstadt, gesellige Winzerstuben und eine unterhaltsame Kulturszene. Alljährlich wird der hoch dotierte Gertrud-Eysoldt-Ring an herausragende Schauspieler verliehen. Zudem gibt es gut gemachte Wanderwege: Zwischen Bensheim und Heppenheim liegt ein attraktiver Abschnitt des 85 km langen Blütenwegs, der an zahllosen Weinstöcken vorbeiführt.
Ein weiterer Pluspunkt am Schluss: Wer die großen »Odenwaldtorwächter« Darmstadt und Heidelberg besuchen mag, kann das Auto getrost an der Bergstraße stehen lassen. Die regelmäßigen Verbindungen von Bus und Bahn garantieren einen geschmeidigen Ausflug ohne hektische Parkplatzsuche, teure Parkhausbillets oder »Knöllchen«.
Kein »nice to see«, sondern ein »must see«. An keiner Stelle im Mittelgebirge tritt der Granituntergrund des Vorderen Odenwalds einprägsamer ans Tageslicht als hier. Der Sage nach haben sich zwei Riesen – der »Felshocker« und der »Steinbeißer« – mit gewaltigen Steinen beworfen. Letztlich wurde der »Felshocker« im Felsenmeer unter der mächtigen »Lawine« begraben. Wissenschaftlich betrachtet entstand das Naturphänomen durch sogenannte Wollsackverwitterung. Der Name spielt auf das Aussehen der Gesteinsformationen an, die an aufeinander gestapelte Kissen, Matratzen und eben Wollsäcke erinnern.
Das Felsenmeer an sich ist schon imposant. Einmalig wird der Ort, weil die Römer ihn als Steinbruch nutzten und aus dem tonnenschweren Granit beispielsweise Säulen erschufen. An einigen Felsen sind die Bearbeitungsspuren noch deutlich sichtbar; selbst eine Säule ist zu bewundern.
Das Felsenmeer ist jederzeit frei zugänglich. Es stellt außerdem einen Höhepunkt der ersten Etappe des anspruchsvollen Nibelungensteigs dar. Für mehr Hintergrundwissen empfiehlt es sich, das Felsenmeer-Informationszentrums (felsenmeer-zentrum.de) anzusteuern: der Besuch lohnt sich, garantiert!
Ohne Übertreibung kann man sagen: Das Parkhotel 1970 (parkhotel-1970.de) ist ein Hotel der historischen Superlative. Denn der größte Teil des Interieurs stammt noch original aus den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts – von den Tapeten über die Betten bis hin zum Telefon, alles top erhalten.
Die authentische Einrichtung ist auch der Grund, warum hier so gerne Filmproduktionen oder Fotografen samt Models ankommen. »Etwa 25 Produktionen sind es über das Jahr verteilt«, verrät Ann-Katrin Thimm. Sie hat die Führung des Hotels direkt von ihrer Großmutter übernommen, die immer noch im Hotel aktiv ist, so weit es die Kräfte der über 80-jährigen Dame zulassen.
Das Hotel ist bei Erholungssuchenden, die eine kleine Zeitreise erleben wollen, ausgesprochen beliebt. An Wochenenden sind die 16 Zimmer oft ausgebucht. Unter der Woche ist es leichter, in den Genuss des 70er-Vintage-Feelings zu kommen. Gruppen können sogar ein passendes Catering buchen. Dann gibt es Mettigel, Krabbencocktail, Russische Eier und alles, was sonst noch auf das Oldschool-Buffet gehört. Standard ist Übernachtung mit Frühstück. Der Saisonbetrieb beginnt am 1. April und endet kurz vor Weihnachten.
Wer in diesem Landstrich unterwegs ist, findet sie: zahlreiche Gastwirtschaften, um auf den Odenwälder Geschmack zu kommen. Es gilt folgender Grundsatz: je reduzierter die Auswahl auf der Karte, umso ursprünglicher das kulinarische Erlebnis.
Kochkäse, Handkäse, mit oder ohne Musik (= in Essig und Öl angemachte Zwiebeln), Schinken, Bratwurst, auch Schnitzel, Blut- und Leberwurst, als kalte Platte oder warm mit Sauerkraut serviert, zählen zu den Klassikern. Nicht immer gibt es Bratkartoffeln als Beilage. In vielen Fällen wird Brot zum Essen gereicht – und das ist im Rebstock (rebstock-steinbach.de) in Fürth-Steinbach besonders lecker und knusprig. Denn es ist, wie fast alles, was den Gästen serviert wird, selbst hergestellt; Freitag bis Montag wird das Roggen-Sauerteigbrot frisch gebacken.
Kaum ein Wochenendgast verlässt das Lokal ohne Laib. Im Rebstock gibt es nämlich viel von der Karte auch zum Mitnehmen: Kochkäse, Dosenwurst, Apfelgelee und Ladweje (= Zwetschgenmus), Apfelsaft, Apfelwein und eben das köstlich-frische Brot.
Die Gaststätte zum Rebstock liegt übrigens ruhig am oberen Ende von Steinbach. Die Geschäftigkeit des Hauptortes Fürth bleibt hinter einem zurück. Von der Terrasse aus fällt der Blick auf den Wald. Wenige Schritte hinter der ruhigen Straße wartet ein Spielplatz. Und wer sich sein Essen erst verdienen will, kann von hier aus eine rund 17 km lange, attraktive Rundwanderung (odenwald-wandern.de/gps-wanderungen/fuerth/tromm-weschnitzquelle.php) starten, die über die Tromm nach Hammelbach zur Weschnitzquelle und wieder zurück führt.
Schon bei den ersten Frühlingstemperaturen wandelt sich der Marbach-Stausee in ein Naherholungsgebiet. Spaziergänger und Radfahrer drehen hier ihre Runden. Auf den Wiesen werden Decken ausgebreitet, Picknickkörbe ausgepackt. Eigentlich wurde der rund 2 km lange Stausee zum Hochwasserschutz erbaut. Der Platz im Wald ist aber so lauschig, dass er bei zunehmender Wärme und freiem Eintritt von Anglern, Surfern, Seglern, Schwimmern oder Sonnenanbetern erobert wird.
Von Mitte Mai bis Mitte September sorgt ein Team vom DLRG Odenwald (odenwald.dlrg.de/marbachstausee.html) für sicheres Schwimmvergnügen. Einige Bereiche des Sees sind der Natur vorbehalten und stehen deshalb unter Schutz. Anfang August muss die Badeidylle allerdings ein Wochenende lang dem Musikfestival »Sound of the Forest« (sound-of-the-forest.de) Platz machen. Dann geben sich jede Menge junge Bands und Fans ein berauschendes Stelldichein.
Wer trotzdem nicht auf seinen Badespaß verzichten will, kann zum Beispiel ins nahe gelegene Beerfeldener Waldseebad (waldseebad-beerfelden.de) ausweichen. Das schöne Freibad wird immer noch als Geheimtipp im Odenwald gehandelt.
Für aktive Ferien mit Kindern gibt es im Odenwal ein breites Freizeitangebot: An erster Stelle stehen selbstverständlich der Urlaub auf dem Bauernhof und die Reiterferien. Für Tagesausflüge lohnen sich Ritterspiele oder, ganz besonders, der kurzweilige Odenwaldbob.
Die Sommerrodelbahn (sommerrodelbahn-wald-michelbach.de) in Wald-Michelbach ist bei Kids und Erwachsenen gleichermaßen beliebt. Es geht mit rund 40 km/h gut 1.000 m schussabwärts, teils in einer Höhe von 6 m über eine Landstraße und Felder. Wer dabei noch ein Auge für die Landschaft haben sollte, kann schöne Ausblicke in den Überwald genießen. Ein automatisches Liftsystem bringt die Rodler wieder bequem nach oben zur Bergstation.
Der Rodelspaß ist von April bis Oktober täglich 10 bis 17 Uhr und in den Sommerferien bis 18 Uhr möglich. In den übrigen Monaten öffnet die Bahn nur an Wochenenden.
Ein Museum der besonderen Art zeigt, wie nah Genie und Wahnsinn tatsächlich beieinander liegen können: Die Sammlung Prinzhorn (prinzhorn.ukl-hd.de) in Heidelberg umfasst fast 6.000 Bilder, Skulpturen und Texte psychisch kranker Menschen. Sie ist nach dem deutschen Psychiater und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn benannt, der die Werke zu Beginn der 1920er-Jahre im Auftrag der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg zusammentrug.
Motor der Sammlung war kein Kunstgedanke, sondern vielmehr ein innovativer, therapeutischer Ansatz, der Prinzhorn damit zum Wegbereiter der modernen Kunsttherapie machte. Revolutionär zum damaligen Zeitpunkt, denn damals waren in Psychiatrien Schläge, eiskalte Waschungen und das Fixieren der Patienten bevorzugte »Therapiemethoden«. Viele Werke werden in dem ehemaligen Hörsaal der Neurologischen Klinik, dem heutigen Museum, in wechselnden Ausstellungen präsentiert.
Zu den festen Expositionen zählen die Holzskulpturen von Johann Karl Genzel, die einerseits wie Figuren früher Kulturen, andererseits expressionistisch wirken. Andere Werke zeichnen sich durch die Liebe zum Detail oder Symbolhaftigkeit aus. Während die Kollegen aus der Medizin von Prinzhorns Ansatz unbeeindruckt blieben, stießen die Werke der Psychiatriepatienten bei Künstlern der Moderne wie Max Ernst oder Paul Klee auf großes Interesse. Die Nationalsozialisten nutzten dagegen Werke der Sammlung für ihre Wanderausstellung »Entartete Kunst«. Viele Künstler der Sammlung Prinzhorn wurden als »unwertes Leben« stigmatisiert und schließlich unter dem Nazi-Regime grausam ermordet.
Es wird von der Presse als eines der schönsten Museen Deutschlands gerühmt. Und es stimmt: Das Hessische Landesmuseum in Darmstadt (hlmd.de) ist eine echte Perle – dank seiner Architektur, aber auch wegen der enzyklopädischen Sammlung.
Das Museum wurde 1906 eingeweiht, während des Zweiten Weltkrieges beschädigt, durch den Modernisierungstick der 1970er-Jahre verbaut und 2014 nach siebenjähriger, umfassender Sanierung wiedereröffnet. Seither erstrahlt das Haus erneut im Sinne des Architekten: Alfred Messel, der kurz vor seinem frühen Tod vom Kaiser zum Generalplaner der Berliner Museumsinsel berufen wurde, und aus dessen Feder auch der Entwurf des Pergamonmuseums stammt. Die vielen unterschiedlichen Ausstellungsstücke – darunter Gemälde, sakrale und mittelalterliche Kunst, antike Mosaiken oder naturwissenschaftliche Stücke wie das riesige Skelett eines Mastodons (= nordamerikanisches Mammut) – erhielten einen stilistischen, atmosphärischen Rahmen. Insgesamt besitzt dieses Universalmuseum 13 Abteilungen, von Archäologie bis Zoologie, von einer anschaulichen Mineralsammlung bis zu Joseph Beuys. Hinzu kommen wechselnde Ausstellungen.
Wer das Hessische Landesmuseum Darmstadt besucht, sollte also unbedingt Zeit mitbringen. Sehr empfehlenswert sind Führungen, die Erwachsenen und Kindern zielgruppenorientierte Highlights präsentieren.
Der Weinbau in Groß-Umstadt hat seit der römischen Besiedlung Tradition und wird bereits in einer Urkunde der Abtei Fulda aus dem Jahre 985 erwähnt. Auf insgesamt drei Weinlagen werden elf weiße und acht rote Rebsorten angebaut. Schwerpunkte liegen auf kräftigen bis spritzig-frischen Weißweinen. Probieren kann man den Wein das ganze Jahr über: zum Beispiel bei Weinproben und Kellerführungen, die von der Odenwälder Winzergenossenschaft »vinum autmundis« (vinum-autmundis.de) organisiert werden.
Einmal im Jahr wird der Wein sogar ekstatisch gefeiert. Das Umstädter Winzerfest (umstaedter-winzerfest.de) ist der Weininsel liebstes Spektakel, zu dem selbst langjährige Exil-Umstädter wieder zurückkommen. Es findet immer am Wochenende um den 15. September statt und dauert berauschende vier Tage – von Freitag bis Montag. Höhepunkte sind die Krönung der Weinhoheiten für das neue Weinjahr und der große Festzug. Auch Weinköniginnen europäischer Partnerstädte samt Gefolgschaft zählen zu den Gästen. Auf dem schönen, historischen Markt wird an zahlreichen Ständen Wein ausgeschenkt, begleitet von Live-Musik, die von den Bühnen schallt.
Als Vorgeschmack gibt es am Wochenende vor dem Winzerfest einen Bauernmarkt. Dann stellen Landwirte, Winzer und Direktvermarkter aus dem Vorderen Odenwald ihre Produkte vor und geben einen Einblick, wie die Lebensmittel erzeugt wurden.
Wachtürme, Grenzbefestigungen, Jupitersäulen, Mithras-Kultsteine, alltägliche Gebrauchsgegenstände – die alten Römer haben Eindrucksvolles im und rund um den Odenwald hinterlassen. Kein Wunder, denn die heutigen Städte Dieburg und Ladenburg waren in der Antike bedeutende römische Siedlungen, und im östlichen Teil des Mittelgebirges verlief der Limes.
Den Grenzwall errichteten die römischen Machthaber zum Schutz gegen die Alemannen. Im Odenwald gibt es ihn in zweifacher Ausführung: Der Odenwaldlimes aus dem 1. Jahrhundert führte von Obernburg oder Wörth am Main (ganz klar sind sich die Forscher in diesem Punkt nicht) nach Bad Wimpfen. Im 2. Jahrhundert wurde er 30 Kilometer weiter nach Osten verlegt. Insgesamt ist der Limes 550 km lang und führt nördlich von Koblenz bis kurz vor Regensburg. Es wird als längstes Bodendenkmal nach der Chinesischen Mauer gehandelt und trägt einen UNESCO-Welterbetitel. Im Odenwald führen viele Wanderwege an der historischen Grenze entlang. Neben der lieblichen Landschaft gibt es verwitterte Überreste von Wachtürmen, der Grenzbefestigung oder Kastellen zu sehen.
Ein besonderes Highlight sind die Ruinen eines Marstempels samt Götterfiguren in der Nähe von Schloßau. Die Originalfiguren stehen im Römermuseum (roemermuseum-osterburken.de) in Osterburken. Für eine Reise in die Römerzeit sind außerdem der Besuch der Villa Haselburg (haselburg.de) bei Höchst oder des Museums Schloss Fechenbach (museum-schloss-fechenbach.de) in Dieburg empfehlenswert, wo die römische Geschichte im Odenwald sehenswert aufbereitet ist.