»Die Marktlücke war so groß wie ein Scheunentor«, sagt Eberhard Fohrer rückblickend. Der erste Autor des 1979 frisch gebackenen Michael Müller Verlags war von den neuen Reiseführern überzeugt. So sehr, dass er eine solide Zukunft als Lehrer aufgab. Ein charmanter Artikel über die Zeit, als man Bücher noch aus dem Kofferraum an Fährreisende verkaufte, ein Start-up mit winzigem Startkapital gründete und der Spiegel und die Stiftung Warentest zum ersten Durchbruch verhalfen.
Du hast nicht immer Recht, sagt meine Frau gerne zu mir. Aber damals Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre, da war ich mir sicher: »Dieser Verlag wird ein Erfolg, er muss einfach ein Erfolg werden!« Hängt man sonst seine sichere Existenz als Lehrer an den Nagel, bevor sie überhaupt begonnen hat? Die Marktnische, die sich uns damals auftat, war aber auch so groß wie ein Scheunentor. Nicht mehr nur die Sandsteinsockel der Protorenaissance-Kirche des 12. Jahrhunderts waren jetzt das Thema, nein, auch die coole Kneipe am Fluss dahinter empfahlen wir unseren Lesern – mit den damals verbreiteten puristischen Kulturschinken hätten sie sie wohl nie entdeckt.
Natürlich, wir erfanden nicht das Rad neu. Wir hatten amerikanische Vorbilder (»Let’s Go«, »Europe on 20 $ a day« u. Ä.) und waren auch nicht die einzigen, die damals die Reiseführerbranche in Deutschland revolutionieren wollten. Begonnen hatte es mit einem kleinen Verlag aus München, der mit seinem unkonventionellen Griechenlandführer Schlagzeilen machte und Verkaufsrekorde brach.
Mein geschätzter Freund Michael Müller hatte damals den Verleger dieser neuen Reisebücher in Südamerika kennengelernt und wurde von ihm gleich angeheuert. Michael wiederum wandte sich an mich, der ich noch mehr oder weniger brav in Erlangen auf Lehramt studierte – wir kannten uns aus der »Szene« der Universitätsstadt, die dem gebürtigen Ebermannstädter Michael Müller einiges mehr bieten konnte als seine urfränkische Heimat … Und so sah man uns bald in italienischen Adriahäfen: eifrigst beschäftigt, deutschen Touristen beim Warten auf die Griechenlandfähren diesen legendären Führer zu verkaufen, direkt aus dem Kofferraum. Der Münchner Verleger erwies sich allerdings bald als »schwierig« – und so entstand die Idee, es doch einfach mal selbst zu versuchen.
Mit kleinem Startkapital (Familienhilfe inklusive) wurde Michael zum Selbstverleger, brachte sein Toskanabuch heraus und bald auch die Bücher seines ersten Autors Eberhard. Dabei tingelte er unermüdlich durch die Buchhandlungen der Republik, einen Vertrieb hatte er damals natürlich noch nicht …
Ein gewisser Durchbruch bahnte sich an, als eines Tages niemand Geringerer als der Spiegel unser Interrail-Buch »Mit der Eisenbahn durch Europa« wohlwollend erwähnte – zack, lagen am gefühlt nächsten Tag tausend Bestellungen auf dem Tisch, wow! Noch besser wurde es, als die Stiftung Warentest daran ging, die Reiseführer zur Insel Kreta zu testen und das Ergebnis in ihrer Testzeitschrift vorzustellen. Wie das Glück es wollte, hatte ich gerade einen Reiseführer zu Kreta geschrieben. Ein Konkurrenzprodukt hatte mich geärgert und ich hatte mir gedacht, dass das anders gehe. Nun, zu unserem Führer schrieben die nüchternen Tester: »Der mit Abstand informationsreichste Kretaführer für Individualtouristen jeder Art. Nahezu absolute Zuverlässigkeit.« Boom! Das war besser als je erhofft und von da an ging’s deutlich bergauf. Neue Autoren wurden gewonnen, Mitarbeiter rekrutiert – Michael war stets ein großes Talent, andere zur Arbeit für seinen Verlag zu bewegen – die Leserbindung wuchs, eine kleine Marke entstand.
Nicht alles gelang immer. Unser Ausflug auf den amerikanischen Markt scheiterte. Was blieb war die aufmunternde Bemerkung einer US-Journalistin auf der Frankfurter Buchmesse: »Really awesome, your book is like a letter to a friend.« Genial, aber leider nicht verkaufsfördernd genug.So blieb MMV bodenständig auf dem deutschen Markt und hat es bis heute nicht bereut. Vierzig Jahre sind es nun – und ich hab' wirklich Recht gehabt!