Ein Fußballspiel ohne Stollenschuhe? Undenkbar! Doch wer hat sie erfunden – Adi oder Rudolf Dassler? Selbst wenn es unwahrscheinlich klingt: Die Idee stammt von Albert Bünn, einem Preetzer Schuhmachermeister, der sogar ein Patent beantragte. Trotzdem, den großen Gewinn machten andere, wie Dieter Katz weiß, Autor unseres Reiseführers Ostseeküste - von Lübeck bis Kiel.
Die Fußball-WM in Russland läuft – und regelmäßig wird vor solch einem Großereignis die Frage aufgeworfen, wer als Erfinder der Schraubstollen zu gelten habe. Denn die Erfindung dieser leicht austauschbaren Stollen ist eng mit dem »Wunder von Bern« verbunden. 1954 sollen die Profilzapfen unter den Fußballschuhen dafür gesorgt haben, dass die nachkriegsdeutschen Kicker im Regen-Endspiel gegen die schier übermächtigen Ungarn überraschend gewinnen konnten.
Wem gebührt die Ehre?
Die Sache mit den Fußballstollen und dem Regenwetter hat schon fast etwas Mystisches. Fußballspielen ohne Stollenschuhe, das ist heute undenkbar. Deswegen ist es aus Image- und Marketinggründen wichtig, den Erfolg dieser bahnbrechenden Erfindung für sich zu verbuchen – oder zumindest davon etwas abzubekommen … So streiten sich die beiden Weltkonzerne Adidas und Puma schon lange um die Ehre, ob nun Adi Dassler (Adidas) oder sein Bruder Rudolf Dassler (Puma) den neuartigen Schraubstollenschuh zuerst entwickelte. Laut Adidas experimentierte Firmengründer Adi (Adolf) Dassler schon 1949 mit patentierten Schraubstollen-Schuhen, während Puma hervorhebt, dass ihr Gründer Rudolf Dassler als erster, nämlich 1952, mehrere Fußballmannschaften mit ebensolchen Schuhen versorgte.
Um es vorweg zu nehmen: Beide liegen sie nicht ganz richtig, denn diese Ehre gebührt wohl dem einfachen Schumachermeister Albert Bünn aus Preetz.
Die Schumacherstadt Preetz und ihr begabtester Meister
Die Kleinstadt Preetz liegt inmitten einer herrlich-hügeligen Seenlandschaft, ein wenig abseits der touristischen Ostseeküsten-Pfade, südöstlich der Landeshauptstadt Kiel. Wird der beschauliche Ort im Hinterland der Ostseeküste damit quasi zur Keimzelle einer für den Fußballsport so wesentlichen Erfindung? Diese Frage ist eindeutig zu bejahen. Auch wenn es heute in Preetz nur noch einen letzten verbliebenen Holzschuhmacher gibt, war die 16.000-Einwohner-Stadt einst berühmt für ihre Schuhhandwerker. Mitte des 19. Jahrhundertes gab es hier gleich 160 selbständige Schuhmachermeister, ebenso viele Lehrlinge und 360 Gesellen. Und so ist es kein Wunder und auch kein Zufall, dass ausgerechnet in der Schusterstadt Preetz ein Schuhmachermeister auf die Idee mit den eindrehbaren Stollen kam.
Bereits am 1. Februar 1948 meldete der eifrige Schuhmachermeister Albert Bünn (1924-2006) beim Deutschen Patentamt in München ein Patent für »eindrehbare Fußballstollen« an. Die Kopie seiner Patenturkunde hängt heute – für jedermann sichtbar – im Heimatmuseum in Preetz. Als Autor des Reiseführers »Ostseeküste – von Lübeck bis Kiel« konnte ich noch kurz vor dessen Tod mit Albert Bünn telefonieren. Er berichtete mir davon, dass er damals zwei Paar seiner revolutionären Schuhe an den HSV geschickt hatte. Dort habe man sich zwar begeistert geäußert, zu einer größeren Bestellung ist es aber nie gekommen.
Geschäftstüchtigkeit schlägt Erfindergeist
Doch die Idee und (Weiter-)Entwicklung der Schraubstollenschuhe war nun nicht mehr aufzuhalten. Schuster Bünn war zwar sicher ein einfallsreicher und geschickter Mensch, doch mangels entsprechender kaufmännischer Kontakte und patentrechtlicher Erfahrung konnte er seine Idee nicht im großen Stil vermarkten.
Ganz anders der geschäftstüchtige Adolf Dassler. Während Albert Bünn an seinen Schuhen Gewindeschrauben befestigt hatte, auf die man je nach Bodenverhältnissen unterschiedlich lange Stollen schrauben konnte, drehte Adi Dassler das Prinzip einfach um: Beim dem bis heute üblichen Adidas-Verfahren befindet sich das Gewinde in der Sohle der Schuhe; die Stollen werden dort eingeschraubt.
Mittlerweile ist sogar noch ein anderer, ebenfalls norddeutscher Schuhmacher im Gespräch um die Erfindung der Schraubstollen: der Bremer Alexander Salot, der 1928 aus Schlesien kam und 1995 verstarb. Er reichte Ende August 1949 (wohl schon vor Adi Dassler) ein dem Adidas-Verfahren verwandtes Patent ein, welches aber erst am 9. August 1951 erteilt wurde; in jedem Fall also mindestens eineinhalb Jahre nach der Anerkennung des Patents zugunsten von Albert Bünn. Obgleich Alexander Salot einige Bremer Fußballspieler mit seinen erstaunlich leichten Schuhen ausrüstete, konnte auch er sich gegen die Giganten der Branche nicht durchsetzen.
Bünns zweite Erfindung
Und Schuster Bünn? Er ließ sich davon nicht entmutigen – und noch eine weitere artverwandte Idee patentieren. Es waren die Steckabsätze für hohe Damenschuhe. Sicher praktisch in jener Zeit, in der gute Schuhe ein echtes Luxusgut darstellten. Dennoch brachte auch diese pfiffige Idee dem Schuster aus Preetz nicht den erhofften wirtschaftlichen Erfolg.