Es klingt nahezu niedlich, wenn man sich vorstellt, dass der wildeste Blutsauger aller Zeiten – Dracula himself – beinahe im Oststeirischen umgegangen wäre. Heute steht die alpenvorländische Hügellandschaft für das grüne Herz Österreichs, das mit einem milden Klima, einem speziellen Kürbiskernöl, dem wichtigsten Apfelanbaugebiet des Landes und, nicht zuletzt, einem erfrischenden Urlaubserlebnis punktet. Andreas Haller, Autor unseres »Steiermark«-Reiseführers (1. Auflage 2014), blickt hinter die Fassaden des Allzu-Oberflächlichen.
Unabhängig davon, ob es sie gibt oder nicht: die Oststeiermark ist das Reich der Vampire. Dass die lichtscheuen Blutsauger sich hier besonders heimisch fühlen, verwundert angesichts der Schlösser und Burgen im oststeirischen Hügelland kaum. Besonders die heruntergekommenen, zuweilen schwer und ziemlich massig wirkenden Denkmäler mit ihren abblätternden Fassaden abseits der ausgetreten Pfade könnten in dunklen Verliesen so manch unheimliche Überraschung bergen. Hinzu kommt die düstere Epoche der frühen Neuzeit: Pestepidemien, Verwüstungen durch die Türken und Hexenjagden ergeben ein Fluidum, das romantische Schauergeschichten höchst plausibel erscheinen lässt. Daher überrascht es auch wenig, dass englische Literaten im 19. Jahrhundert auf der Suche nach Inspiration für ihre Gothic Novels im Oststeirischen fündig wurden. Das berühmteste Epos über Vampire aller Zeiten, der 1897 publizierte Dracula-Roman des irischen Autors Bram Stoker, sollte nicht nur in der Steiermark spielen – es ist sogar von einem in der Steiermark handelnden Vampirroman stark beeinflusst. Erst als Bram Stoker auf den historischen Grafen Dracula stieß, verlegte er die Romanhandlung weiter nach Osten und ließ seine Protagonisten in Transsilvanien auftreten.
Sheridan Le Fanus Steiermarksche Vampirgeschichte
Das erste tatsächlich in der Steiermark verortete Werk aus der Gattung der »unheimlichen Literatur« stammt von Sheridan Le Fanu und trägt den Titel »Carmilla«. Die 1872 und damit 25 Jahre vor »Dracula« erschienene Novelle handelt von einer Vampirin, die es ausschließlich auf Frauen abgesehen hat. Die Idee zu dieser Gruselgeschichte geht wiederum auf einen Reisebericht des britischen Seefahrers und Forschers Basil Hall von 1836 zurück, »Schloss Hainfeld oder ein Winter in der Steiermark«.
Noch interessanter wird es, wenn man die fiktionalisierten Orte in »Carmilla« genauer ansieht. Die Hauptheldin ist ein junges Mädchen namens Laura und wohnt in einem Schloss »30 Meilen von Graz« entfernt. Möglicherweise war eben jenes erwähnte Schloss Hainfeld vor den Toren der Stadt Feldbach gemeint. Zumal Sheridan Le Fanu auch von der nur unweit von Feldbach gelegenen Riegersburg und der ebenfalls nur wenige Kilometer von Feldbach entfernten – und heute nicht mehr erhaltenen – Burg Gleichenberg erzählt. Weiteres Indiz ist der Familienname der Vampirin (»Karnstein«): Er klingt ganz ähnlich wie der Mädchenname der Besitzerin des Schlosses Hainfeld (»Cranstoun«). Sie, die spätere Gräfin von Purgstall, hatte einst den Wissenschaftler Basil Hall zu sich in die Oststeiermark eingeladen.
Weitere skurrile und ganz handfeste Historien und natürlich jede Menge reisepraktische Tipps finden Sie im Reiseführer »Steiermark« von Andreas Haller.