Die Cotwolds gelten gemeinhin als »Herz von England«. Da passt es vielleicht ganz gut, dass diese liebenswerte wie exzentrische Gegend Großbritanniens auf eine jahrhundertealte Tradition zurückblickt. In Chipping Campden, einer Ortschaft mit Sandsteinkaten und Villen, fanden die ersten Olympische Spiele der Moderne statt: im Gummistiefel-Schleudern, Schienbein-Treten, Sackrennen und der Erklimmung eines rutschigen Masts. Dorothea Martin, Autorin von »Nord- und Mittelengland« (1. Auflage 2014), hat sich das beliebte und wiederbelebte Spektakel angesehen.
Chipping Campden ist eine der schönsten kleinen Ortschaften in den nördlichen Cotswolds. Rund 2000 Menschen leben hier in jahrhundertealten Sandsteinkaten und Villen, die einst die Heimat von Webern und Tuchhändlern waren. Im 19. Jahrhundert zog es die Kunsthandwerker der Arts and Crafts-Bewegung in dieses Städtchen, eine Richtung, die als Gegenentwurf zu maschinell hergestellten Alltagsgegenständen gelten wollte. Nichts deutete – und deutet – darauf hin, dass hier vor 400 Jahren die ersten Olympische Spiele der Moderne stattgefunden haben, 300 Jahre vor den Spielen in Athen! Welly-Wanging (Gummistiefel-Schleudern), Shin-Kicking (Schienbein-Treten mit eisenverstärkten Schuhspitzen), Sack Races (Sackrennen) und Climbing a slippery Pole (einen rutschigen Mast erklimmen) heißen die absurdesten Disziplinen, in denen die Teilnehmer der Olympischen Spiele der Cotswolds gegeneinander antreten.
Todesopfer und Trophäen
Im Jahre 1612 hat ein Rechtsanwalt namens Robert Dover aus Chipping Campden dieses unterhaltsame Spektakel mit der Unterstützung von König James gegründet. Sportliche Ertüchtigung und die Zurschaustellung von Kraft und Ausdauer waren gut für die Landesverteidigung, Brot und volksnahe Spiele wurden noch jedem Monarchen gedankt. Fast dreihundert Jahre lang erfreuten sich die Wettbewerbe bei Einheimischen und Angereisten so großer Beliebtheit, dass es zwischen den enthusiastischen Teilnehmern sogar zu Ausschreitungen mit einem Todesopfer kam und der Wettbewerb Mitte des 19. Jahrhunderts verboten wurde.
1951 belebte man die »Olimpicks« wieder, erstaunlicherweise mit Unterstützung der British Olympic Association, und bis heute sind viele der alten Sportarten dabei. Der Schauplatz ist Dover’s Hill, ein natürliches Amphitheater am westlichen Stadtrand von Chipping Campden, das heute dem National Trust gehört und jedes Jahr Anfang Juni bespielt wird. Zur Eröffnung reitet ein Schauspieler verkleidet als Robert Dover zu Fanfaren, Kanonensalven und Jubelbezeugungen in das Theater ein – vor Tausenden von Zuschauern. Zu gewinnen gibt es für die Champions zwar nicht viel, sieht man einmal von Trophäen und Medaillen ab, dafür lässt man das sportliche Wochenende mit Europas größtem Fackelumzug, einem Feuerwerk und feuchtfröhlichem Tanzfestival zu Ende gehen. Zahlreiche Informationen finden Sie unter der pfiffig designten Seite www.olimpickgames.co.uk. Der nächste Termin des sehr eigenwilligen und sehr spaßigen Spektakels ist der 29. Mai 2015.
Eine Competition im Grimassieren und Lügen
Freunde exzentrischer Veranstaltungen sollten sich auch den Nordwesten Englands vormerken. In Egremont bei Whitehaven werden im September zur »World Gurning Competition« Grimassen geschnitten (www.egremontcrabfair.com), und im Bridge Inn in Stanton Bridge im Lake District findet jeden November die »World’s Biggest Liar Competition« statt, der weltgrößte Lügenwettbewerb (www.santonbridgeinn.com).
Weitere skurrile und ganz handfeste Historien und natürlich jede Menge reisepraktische Tipps finden Sie im Reiseführer »Nord- und Mittelengland« von Dorothea Martin.