Wussten Sie, dass jeder 500. Bewohner Islands ein Geist ist? Dass viele Felsen eigentlich versteinerte Trolle sind und zahlreiche Hügel von Elfen bewohnt werden? Unsere Island-Autorin Christine Sadler, deren beliebter Reiseführer just in 7. Auflage neu erschienen ist, hat sich die historischen Hintergründe dieses zauberhaften Eilandes angesehen – und einige magische Museen in den Westfjorden besucht.
Auf dem Wappen des Bezirks Strandir in den isländischen Westfjorden findet sich das magische Symbol Ægishjálmur (dt. Ægis Helm). Es galt als Zauberzeichen, das schon in der Edda (= altisländisches Epos) Erwähnung fand. Das nach der nordischen Mythologie benannte Symbol (Ægir ist der Gott des Meeres) verlieh seinen Trägern Macht, sofern es mit einem Bleimodel auf die Stirn gedrückt wurde. Es könne, so hieß es, bei Gegnern Augentäuschungen und große Furcht erzeugen. Wer es trug, dem war bei Kämpfen der Erfolg sicher.
Die Zauberer von Standir
Zahlreich sind die in alten isländischen Sagas festgehaltenen Geschichten über das Auferwecken von Toten, eine Macht, derer die Menschen in Strandir in besonderem Maße habhaftig gewesen sein sollen. Sie galten als listig und zauberkundig, als überragend im Umgang mit Geistern. »Auf den Kopf fiel der Held, schmerzend seine Glieder. Unklug ist’s zu ringen mit den Zauberern von Strandir« liest sich ein in einem Nachbarbezirk verfasster Vers.
Einer der berühmtesten Zauberer der Sagazeit war Svanur aus Strandir, über den in der Njáls saga berichtet wird. Darin geht es um eine Fehde zwischen ehemals befreundeten Familien, um Mord und Brandstiftung. Svanur führt darin einen Wetterzauber aus, mit dem die Gegner von Thjostolf, der gerade einen Mord begangen hat, an der Verfolgung gehindert werden: Er wickelt sich ein Ziegenfell um den Kopf und spricht eine Beschwörung (»Es komme Nebel, es komme Verwirrung und Spuk über alle, die nach dir fahnden«).
Zauberei war Teil der germanischen Religion. Im abgelegenen Strandir hielten sich Reste der alten Traditionen länger als in anderen Landesteilen. Die Hexerei war wohl ein Männerberuf, es sind nur wenige weibliche Zauberer bekannt. Bis ins 17. Jahrhundert konnte weitgehend ungestraft gehext werden. Nach der Reformation aber galten Zauberei und Magie als Straftaten, es kam zu zahlreichen Prozessen. Hierfür reichte schon der Besitz von magischen Runen. Wer ein Zauberbuch hatte, beging ein Kapitalverbrechen; dennoch sind bis heute viele solcher Lehrbücher erhalten.
Die häufigste Strafe für die Beschäftigung mit Zauberei war die Auspeitschung, die schwerste lautete auf Verbrennung. Von 21 Isländern ist bekannt, dass sie den Tod auf dem Scheiterhaufen fanden. Wie viele es tatsächlich waren, wissen wir nicht. Dokumentiert ist jedenfalls, dass sich die meisten Prozesse und Verbrennungen in den Westfjorden ereigneten.
Die schaurig-spannenden Überbleibsel der Magie
Museen in Hólmavík und Laugarhóll geben Interessierten weitere Auskünfte zur Zauberei in Strandir; eine dritte Ausstellung ist geplant.
In der gut gemachten Ausstellung in Hólmavík im kleinen schwarzen Holzhaus mit Grassodendach erfährt man unter anderem, wie Menschen einst versuchten, sich mit einer Tinte aus Blut unsichtbar zu machen, und wie mit einer Leichenhose Reichtum angehäuft wird. Es werden Persönlichkeiten vorgestellt, die der Zauberei verdächtigt wurden, weil sie zum Beispiel Geister vertrieben haben. Zwischen Runenzeichen und Zauberbüchern, magischen Steinen, Knochen und Tinkturen erhebt sich gar ein Toter aus seinem Grab … In einem Nebenraum ist ein ausgehöhlter Stein zu sehen, den wahrscheinlich ein heidnischer Priester vor tausend Jahren als Schale für Pferdeblut nutzte.
Das »Landhaus des Hexers« in Laugarhóll am Bjarnarfjörður vermittelt eine Idee davon, wie Hexer und Zauberer einst lebten. Es handelt sich um ein kleines Gehöft aus Stein, Treibholz und Torf, in dem man magische Zaubersprüche hört. Schließlich war der Bjarnarfjörður die Heimat des Zauberers Svanur aus der Njáls saga; im 18. Jahrhundert lebten hier zwei aus Volkssagen bekannte Magier.
Die Zauberei ist heute selbstverständlich verschwunden, geblieben ist der weit verbreitete Glaube an das Übernatürliche. Viele Steine und Hügel im Land gelten als von Elfen bewohnt und damit als »verzaubert«, viele markante Felsen sind eigentlich versteinerte Trolle. Nach Aussage des Volkskundlers Árni Björnsson ist jeder 500. Einwohner Islands ein Geist. Die wenigsten Isländer bestreiten die Präsenz der übernatürlichen Wesen. Im Allgemeinen ist man stolz auf sie und respektiert sie, weiß gerne um ihren Schutz. Die Medien, die sie sehen und mit ihnen kommunizieren können, genießen hohe Achtung. Und zaubert man heute auch nicht mehr, ist das Interesse an alten Zaubergeschichten doch weiterhin groß; es wird kontinuierlich zum Thema recherchiert. Kopien traditioneller Zauberbücher werden neu aufgelegt, auch mit englischen Übersetzungen, und das Zauberzeichen Ægishjálmur sieht man in Strandir hier und da in Fenstern oder Autos hängen – als Schutzsymbol.
Weitere Informationen
Zaubermuseum Holmavík: Galdrasýning, Höfðagata 8-10, Tel. 4513525, tägl. 9-18 Uhr, ISK 900, www.galdrasyning.is. Mit Museumsshop und Restaurant.
Landhaus des Hexers: Klúka, neben dem Hótel Laugarhóll a. d. Str. 643, Tel. 4513525, 1. Juni bis 1. Okt. tägl. 8-22 Uhr, Eintritt frei.