Wussten Sie, dass ...?

Teil 15: Nessie Superstar.
Ein Essay um den Mythos von Loch Ness.

Im Februar 2014 ereignete sich am Loch Ness eine Sensation: Man bestätigte die erste Monstersichtung nach über 18 Monaten. – Was ist dran am Mythos um diesen legendären und zweitgrößten See Schottlands? Gibt es wissenschaftliche Erklärungen, und was wäre zu tun, wenn man es wirklich sieht, das Ungeheuer von Loch Ness? Diesen (und jede Menge anderer) Fragen ist Andreas Neumeier für die Überarbeitung seines Schottland-Reiseführers (7. Auflage 2014) auf den Grund gegangen.


Gary Campbell dürfte in diesen Tagen ein großer Stein vom Herzen gefallen sein. Seit einigen Wochen hat er wieder alle Hände voll zu tun. Noch im Februar dieses Jahres hatte er mit besorgter Mine vor den Fernsehkameras der BBC erklärt, man müsse in Erwägung ziehen, dass Nessiterras rhombopteryx, das Ungeheuer im weltberühmten schottischen Loch Ness, nicht mehr am Leben sei. Nach über einem Jahr ohne amtlich bestätigte Sichtungen sind nun beim Kartendienst von Apple zwei Satellitenfotos aufgetaucht, die die Existenz eines Monsters ein für alle Male klären könnten. Campbell, Präsident des Official Loch Ness Monster Fan Club und selbsternannter Archivar für Ungeheuer-Sichtungen, hält die Fotos laut Daily Mail für echt.


Von 565 bis heute – die Monstersichtungen am Loch Ness

Das Urquhart Castle bei Loch Ness – ein friedlicher Ort, an dem sich auch Ungeheuer wohl fühlen …
Das Urquhart Castle bei Loch Ness – ein friedlicher Ort, an dem sich auch Ungeheuer wohl fühlen …

Die Legende des seltsamen Lebewesens im Loch südlich von Inverness ist seit Jahrhunderten lebendig. Schon 565 n. Chr. soll ein tobendes Ungeheuer, das einen Dorfbewohner am Ufer des Sees angegriffen hatte, von St. Columba zurückgedrängt worden sein. Als Mr. und Mrs. Spicer an einem heißen Julinachmittag im Jahr 1933 am Loch Ness entlangfahren, staunen sie nicht schlecht, als sie »seltsame, einem langen Hals ähnlich, sich windende Formen« die Straße überqueren sehen.

In der Folge häufen sich solche Beobachtungen, lange Hälse, Seeschlangen mit vielen Höckern oder Formen wie umgekippte Boote gelangen in die Schlagzeilen. Es wird spekuliert, dass das Monster ein Plesiosaurier sein könnte und die Vermutungen werden bestärkt, als 1938 vor der Ostküste Afrikas der Urfisch Coelacanthus ins Netz geht, den man schon längst ausgestorben glaubte.

Nessie auf dem Surgeon's Photograph von 1934
Nessie auf dem Surgeon's Photograph von 1934

Sollte es möglich sein, dass der Mangel an Nahrung diese Tiere während einer Evolutionsphase von 60 Mio. Jahren in das 230 m tiefe Binnengewässer trieb? Kamerateams aus aller Welt belagern mit riesigen Objektiven die Ufer, wo die ersten Beobachtungen gemacht wurden. Sogar Großwildjäger werden herbestellt. Amerikanische Forscher erwägen den Bau einer überdimensionalen Mausefalle, deutsche Wissenschaftler planen dagegen, das Monster mithilfe von Unterwasserbeschallung mit einer Haydn-Sinfonie aus dem See zu treiben. 1934 gerät einer in die Falle – ein Großwildjäger –, als er nämlich versucht, riesige Fußabdrücke als Originalstapfen des Monsters zu verkaufen. Sie erweisen sich lediglich als die Treter eines ausgestopften Nilpferdes, das als Schirmständer diente.


Modernste Sonargeräte und Echolotstrahlen

»Nessie« wird zum Fotostar, allerdings mit Aufnahmen, die eher den verschwommenen Bildern fliegender Untertassen ähneln. Die bemerkenswertesten Schnappschüsse gelingen Mr. MacNab, auf dessen Foto sogar das Urquhart Castle deutlich zu erkennen ist, und dem Chirurgen Colonel Wilson. Unscharf werden darauf Hals und Kopf eines möglichen Lebewesens abgebildet, die Fotos stellen sich aber letztlich als Montagen heraus. Um die Echtheit von Aufnahmen oder professionelle Nachbearbeitungen zu beweisen, werden in der Folge sogar die Labors der NASA bemüht.

Man in Black in der Burgruine vor dem legendärsten See Schottlands
Man in Black in der Burgruine vor dem legendärsten See Schottlands

Für die Forschung unter Wasser werden modernste Sonargeräte eingesetzt – doch Nessie erscheint nicht zum Fototermin. Stattdessen erhalten die Forscher einige interessante Diagramme über bis zu 45 m hohe Unterwasserwellen, die Windstöße durch Bewegung der Warmwasserschichten verursachen. Eine Untersuchung im Jahre 1987 führt mittels senkrechter Echolotstrahlen zum Fazit: Irgendwelche größeren Lebewesen scheinen sich im See zu tummeln, da ist man sich nicht nur in den Touristikbüros sicher …

Wovon man tatsächlich ausgehen kann: Zu Urzeiten war die gesamte Verbindung von der Nordsee zum Atlantik durch eine schmale Rinne verbunden. Als es bei der Verschiebung der Erdkruste zu mehreren Einbrüchen kam, waren die Saurier eingeschlossen! Sie könnten sich im Verlauf der Evolution an das Süßwasser angepasst haben – ähnlich wie die Flussdelfine im Amazonasgebiet. Ob sie es bis in unsere Zeit geschafft haben, bleibt jedoch zumindest zweifelhaft.


Was tun, wenn Sie Nessie sehen?

Nessiejäger können im Internet z. B. unter www.lochness.co.uk selbst auf die Jagd nach dem scheuen Monster gehen. Meldungen von Sichtungen und aussagekräftige Fotos nimmt der Monster Fan Clubs von Inverness unter der E-Mail-Adresse president@lochness.co.uk entgegen.


Weitere skurrile und ganz handfeste Historien und natürlich jede Menge reisepraktische Tipps finden Sie im Reiseführer »Schottland« von Andreas Neumeier.

Passend dazu