Der Einzelgänger: Georg Elser
Hitler war unberechenbar, seine Launen sprunghaft, seine Marotten garantierten überraschende Volten, aber eines war sicher: Am 8. November 1939, dem Vorabend des Jahrestags des Hitlerputsches, sprach er vor ausgewählten Repräsentanten und der Führungsclique des Reichs im Münchner Bürgerbräukeller von seinem zum Heldenepos umgedichteten stümperhaften Putschversuch von 1923. Das wusste auch Georg Elser, ein Schreiner aus dem Württembergischen. Und er wusste noch mehr: dass das Geschwätz des Führers von der Eroberung von Lebensraum im Osten und der gnadenlosen Vernichtung anderer Rassen kein leeres Gerede waren – der Zweite Weltkrieg und mit ihm die Vernichtungsmaschinerie der Nazis hatten am 1. September mit dem Überfall auf Polen eine neue Qualität bekommen. Die Offensichtlichkeit dieses monströsen Verbrechens, von den meisten seiner Landsleute ziemlich gleichgültig hingenommen, veranlasste Elser zum Handeln.
Hitler war schon weg
In wochenlanger akribischer Vorarbeit bastelte er einen Sprengsatz, den er in den Nachtstunden in einer Säule des Bürgerbräukellers verbarg und der zu gegebener Stunde Hitler und seine Entourage unter den Trümmern der Bierhalle begraben sollte. Die Arbeit des geschickten Bastlers funktionierte präzis, der Bürgerbräukeller fiel in sich zusammen wie ein Kartenhaus, und Augenzeugen vermuteten unmittelbar nach der Explosion keinen einzigen Überlebenden in den Trümmern.
Aber Hitler war schon weg. Völlig entgegen seinen Gewohnheiten dauerte seine Tirade an diesem Abend nur 48 Minuten (das Wetter war schlecht, und deshalb musste er mit dem Zug zurück nach Berlin), und die Detonation ereignete sich in einem bereits weitgehend geleerten Saal. Acht Tote (darunter eine unbeteiligte Saalkraft) und 63 Verletzte waren die unmittelbare Folge, der Fortbestand des Regimes war damit natürlich nicht im Mindesten angetastet.
Die Alleintäterschaft und der Verrätermalus
Elser floh nach Südwesten und wurde beim Versuch des Grenzübertritts in die Schweiz verhaftet. Als »Sondergefangener des Führers« wurde er in verschiedenen KZs inhaftiert, zuletzt in Dachau, wo er am 9. April 1945 auf Weisung aus der Reichskanzlei erschossen wurde – knapp einen Monat vor dem endgültigen Aus des Traums vom »Endsieg«. Seine Alleintäterschaft, heute unbestritten, wurde von Himmler immer angezweifelt: Der notorisch paranoide SS-Chef vermutete ein von England gesteuertes Komplott.
Den Verrätermalus ist Elser auch posthum lange nicht losgeworden. Immer stand der charakterstarke Einzelgänger im Schatten der elitären Offiziere des 20. Juli – die immerhin erst fünf Jahre und Millionen Tote später aktiv geworden waren. Erst 1989 wurde eine Gedenkplatte an der Stelle des mittlerweile abgerissenen Bürgerbräukellers (zwischen dem Kulturzentrum am Gasteig und dem Hotel Hilton City) eingelassen, 1997 wurde ein Platz an der Schwabinger Türkenstraße nach Elser benannt und seit 2009 erinnert dort auch eine Lichtinstallation (täglich um 21.20 Uhr, dem Zeitpunkt der Detonation, in Betrieb) an den mutigen Schreiner.
Die weiße Rose
Willi Graf, Alexander Schmorell, Christoph Probst, der Universitätsprofessor Kurt Huber, Hans Scholl und allen voran dessen Schwester Sophie gehören heute zu den Symbolfiguren des gewaltfreien politischen Widerstands. Sie bildeten den innersten Kreis der Weißen Rose, eines heimlichen Zusammenschlusses von Freunden und Studienkollegen, die seit Sommer 1942 dem Schlachten und Morden an und hinter Hitlers Fronten nicht mehr nur zusehen wollten.
Ihre Waffe war das Wort. Nur sechs Flugblätter benötigte die kleine Gruppe aus dem akademischen Milieu, um die braunen Machthaber so richtig nervös zu machen. Gedruckt auf einer altersschwachen Presse und zum Teil auf mechanischen Schreibmaschinen abgetippt, erreichten sie insgesamt wohl kaum eine Auflage jenseits der 100.000; durch fleißige Versandaktivität schafften sie es aber in immerhin 16 Städte des noch großdeutschen Reichs.
Sapere aude oder Der Mut, den eigenen Verstand zu nutzen
Mit großer analytischer Schärfe und klarer Sprache, mit Leidenschaft und Eifer gegen Genozid und Vernichtungskrieg anschreibend, bezog die Weiße Rose unmissverständlich Position und strafte all diejenigen Lügen, die hinterher von nichts gewusst haben wollten. Dabei war die Informationslage der Studenten (die Männer hatten als einfache Soldaten Fronterfahrung in Russland gemacht) keinesfalls privilegiert; lediglich der Mut, den eigenen Verstand auch wirklich zu benutzen, war ausgeprägter als bei der erschlagenden Mehrheit der Volksgenossen.
Die Konsequenz ihrer Haltung wurde ihnen schließlich zum Verhängnis: Obwohl sie wussten, dass das Netz des Repressionsapparats von Politischer Polizei und Gestapo sich zuzog, legten sie am 18. Februar 1943 (die Wehrmacht hatte gerade ihr historisches Desaster in Stalingrad erlebt) ihr letztes Flugblatt im Treppenhaus der Universität aus und wurden prompt vom eifrigen Pedell des Hauses ertappt. Bereits vier Tage später, am 22. Februar, lebten Probst und die Geschwister Scholl nicht mehr, ein eiliges Verfahren hatte sie zum Tod durch das Fallbeil verurteilt. Vorsitzender der Gerichtsfarce war Roland Freisler, der berüchtigte Präsident des Volksgerichtshofs. Hitler hatte den ranghöchsten Kettenhund der deutschen Justiz nach München geschickt – keine Frage, die Nazis hatten mächtig Angst vor den Studenten bekommen. Die anderen Mitglieder des inneren Kerns der Gruppe wurden dann in einem zweiten Prozess im Juni ebenso final abgeurteilt.
Jugendliche Romantik als zweite Triebfeder ihres Handels
Die Aktivitäten der Weißen Rose zielten nicht auf faktische Einflussnahme und Tyrannenmord, und wahrscheinlich war auch jugendliche Romantik eine nicht unbedeutende Triebfeder ihres Handelns: Beides wurde den jungen Widerständlern immer wieder vorgeworfen, und so dauerte es eine ganze Weile, bis die Weiße Rose gebührende Würdigung in der Kultur Münchens fand. Seit 1968 trägt das Institut für Politische Wissenschaft der LMU den Namen »Geschwister Scholl«, und auch der Platz vor der Universität wurde nach ihnen (westliche Hälfte) bzw. Professor Huber (östliche Hälfte benannt). Die einfachen Gräber der Mitglieder der Weißen Rose befinden sich auf dem Perlacher Friedhof im Südosten der Stadt.
Vor dem Haupteingang des Justizpalasts in der Prielmayerstraße erinnert eine zierliche geschmiedete weiße Rose an die Widerstandsgruppe. Im Sitzungssaal 253 (vormals 216) des Gebäudes, in dem der zweite Prozess gegen die »Weiße Rose« geführt wurde, ist außerdem eine Dauerausstellung zur Willkürjustiz des Dritten Reichs eingerichtet.
Werktags 9-16 Uhr, nicht vom 10.4. bis 31.5. und vom 10.10. bis 31.11. (dann finden die mündlichen Prüfungen für das juristische Staatsexamen satt). Einritt frei.
Last minute heroes – die Freiheitsaktion Bayern
Ende April 1945: Ein Reich liegt in den letzten Zügen, eine Stadt pfeift aus dem letzten Loch. Aber den Nazis sind die Trümmergebirge noch immer nicht hoch genug, und einige glühende Parteigänger Hitlers machen sich buchstäblich mit Feuereifer daran, den »Nero-Befehl« ihres in Berlin unter meterdickem Beton verkrochenen Führers umzusetzen. Danach sind »alle militärischen, Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlangen sowie Sachwerte […] zu zerstören«. Hauptmann Rupprecht Gerngroß, Kompaniechef einer in München stationierten Dolmetschereinheit, hat nun endgültig genug vom braunen Irrsinn und sucht innerhalb der Wehrmacht nach Mitstreitern gegen die »Verbrannte-Erde«-Strategie.
Der Widerstand auf Mittelwelle
Realistisch geht man von einem raschen Vormarsch der amerikanischen Verbände aus und entschließt sich für den Tag X – Codename »Fasanenjagd« – zum »Widerstand auf Mittelwelle«. Das Halali kommt bald: Am 28. April besetzen Gerngroß und einige Kameraden den Sender Erding im Norden Münchens und bleiben mit ihrem Aufruf gegen die Sabotage der Lebensgrundlagen Deutschlands einige Stunden auf Sendung, bis SS-Verbände die Kontrolle über die Radiostationen zurückerkämpfen und die Fasanenjäger fliehen müssen. Gerngroß überlebt die letzten Tage bis zum nahen Kriegsende auf einer Berghütte, andere (zum Teil auch völlig Unbeteiligte) haben weniger Glück: Schergen des untergehenden Reichs veranstalten eine letzte Hetzjagd auf die »Wehrkraftzersetzer« und »Drückeberger« der Freiheitsaktion Bayern. 40 Menschen fallen den Standgerichten dieser finalen Raserei noch zum Opfer.
Die Namensherkunft der Münchner Freiheit
Ihnen zu Ehren wurde der Feilitzschplatz im Herzen Schwabings 1947 in Münchner Freiheit umbenannt. Während der finsteren zwölf Jahre zuvor hieß er – zur zweifelhaften Ehre einer rechtsradikalen Truppe aus Ostdeutschland – »Danziger Freiheit«.
Man mag der Freiheitsaktion Bayern vorwerfen, sich erst reichlich spät den Sand aus den Augen gewischt zu haben. Immerhin aber ist der Aktion unter anderem die Verschonung Augsburgs zu verdanken, denn wegen der von ihr durchgeführten Entwaffnung noch kampfbereiter Wehrmachts- und SS-Einheiten konnte die Stadt kampflos an die Alliierten übergeben werden. Außerdem: Viele andere sind diesen Schritt nie gegangen, manche pöbelten sogar noch Jahrzehnte später gegen die vorgeblichen Verräter des deutschen Widerstands von Scholl bis Stauffenberg.